30.09.2011

Strahlen-Skandal in Gorleben

Grenzwert am Zaun bereits seit 2003 überschritten

Atommüll - wohin damit? Gorleben (LiZ). Bereits seit dem Jahr 2003 wird der Grenzwert für radioaktive Strahlung am Zaun des Zwischenlagers Gorleben überschritten. Dort lagern derzeit 102 CASTOR-Behälter mit hochradioaktivem Atom-Müll. Dieser Müll, den die Atomindustrie verursacht hat, wurde seit dem Jahr 1996 nach und nach in die oberirdische Leichtbauhalle bei Gorleben transportiert. Die Meßergebnisse wurden seit Jahren geschönt, indem überhöhte Werte für die Hintergrundstrahlung abgezogen wurden.

Volker Schürg und Wolfgang Kallen von der Fachgruppe Radioaktivität haben im Auftrag der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow Dannenberg (BI) die kompletten Meßdaten der Gesellschaft für Nuklear-Service (GNS) 1983 bis 2010 gesichtet und ausgewertet. Die GNS ist Betreiberin des Zwischenlagers. Um die reale Strahlung der CASTOR-Behälter im Zwischenlager Gorleben am Zaun des Geländes zu ermitteln, genügt es nicht, dort zu messen. Von den gemessenen Werten muß die ortsübliche Hintergrundstrahlung abgezogen werden. Hierfür wurden jedoch überhöhte Werte herangezogen, die ermittelt wurden, als schon CASTOR-Behälter eingelagert waren. Ein billiger aber offensichtlich lange Zeit funktionierender Trick.

Werden jedoch realistische Werte für die Hintergrundstrahlung von den Meßwerten abgezogen ergibt sich: Bereits seit 2003 wird der geltende Grenzwert von 0,3 mSv am Zaun des Zwischenlagers Gorleben überschritten. Die BI hat Strafantrag bei der Staatsanwaltschaft Lüneburg gegen die GNS gestellt.

Am 25. August wurde erstmals bekannt (siehe unseren Bericht), daß Radioaktivitäts-Messungen im Auftrag des niedersächsischen "Umwelt"-Ministeriums eine ungewöhnlich hohe Strahlenbelastung am Zaun des oberirdischen Atommüll-Zwischenlagers ergaben und daß voraussichtlich der gesetzliche Grenzwert von 0,3 mSv pro Jahr bis Ende 2011 überschritten würde. Die BI forderte die Aussetzung des für November geplanten CASTOR-Transports nach Gorleben. Von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, die in der Vergangenheit bereits des öfteren bei der Verharmlosung radioaktiver Gefahren aufgefallen ist, hieß es am 26. September, es gebe "keine Hinweise auf eine erhöhte Strahlung."

Aus der offiziell als Transportbehälterlader (TBL) bezeichneten CASTOR-Halle bei Gorleben dringen Gamma- und Neutronen-Strahlung in die Umwelt. Dies war bereits bekannt. Die gesamte Strahlenbelastung ergibt sich als Summe von Gamma-Jahresdosis und Neutronen-Jahresdosis. Um den Anteil der CASTOR-Strahlung zu ermitteln, muß von den Meßwerten, die aus fünf Meßstationen rund um das Gelände des Zwischenlagers stammen, die Hintergrundstrahlung abgezogen werden. Diese setzt sich zusammen aus einer Strahlung sowohl aus dem Untergrund, Anteilen aus dem Weltall, als auch von Atomwaffen-Tests und der Reaktor-Katastrophe von Tschernobyl.

Die vier direkt am Zaun des Zwischenlagers gelegenen Meßstationen sind sowohl mit Festkörper-Dosimetern des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN), die halbjährlich ausgewertet werden, als auch mit elektronischen Dosimetern der GNS ausgestattet, die permanent über Datenleitung Meßdaten liefern.

Bemerkenswert ist nun, daß zweierlei Angaben über die Höhe der Hintergrundstrahlung vorliegen. Werden jene der GNS in Abzug gebracht, ergibt sich für 2010 an der Meßstation 2 eine Strahlendosis von 0,17 mSv, die dem Atommüll zuzuordnen wäre. Das niedersächsische "Umwelt"-Ministerium jedoch verfügt über Werte, auf die sich noch im August 2011 berufen wurde und aus denen sich eine Atommüll-Strahlendosis von 0,44 mSv für das Jahr 2010 und sogar 0,48 mSv für das Jahr 2009 ergibt. Dies bedeutet eine deutliche Überschreitung des gesetzlichen Grenzwerts von 0,3 mSv pro Jahr.

Weitere Berechnungen haben nun ergeben, daß dieser Grenzwert bereits seit 2003 am Zaun des Zwischenlagers Gorleben überschritten wurde. Dabei waren bis 2004 erst 44 CASTOR-Behälter dort eingelagert. Heute sind es 102 und die Halle ist damit erst zu rund einem Viertel belegt.

 

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Anmerkungen

Eine ausführliche Darstellung der technischen Hintergründe
und Berechnungsgrundlagen findet sich auf der Internet-Seite
der BI Umweltschutz Lüchow Dannenberg:
www.bi-luechow-dannenberg.de/dateien/2011/09/PK-Handout.pdf

Siehe auch unsere Artikel:

      Radioaktiver Müll in Gorleben
      hohe Strahlenbelastung am Zaun (25.08.11)

      CASTOR 2011
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      Atommüll-Endlager in Deutschland?
      EU macht Druck (20.07.11)

      Atommüll-Endlager in der Schweiz?
      Unmögliches soll realistisch erscheinen (12.07.11)

      13. CASTOR nach Gorleben
      angekündigt (3.06.11)

      Gorlebener Salzstock vielfach angebohrt
      Der Berg schlägt zurück (15.04.11)

      Stark erhöhte Radioaktivität
      im "Versuchs-Endlager" Asse II (14.04.11)

      Drei Monate Denkpause
      auch für Gorleben? (30.03.11)

      Atommüll-Frachter in Seenot
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      Wasserzutritt verdoppelt (15.12.10)

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      AKW und tote weibliche Embryos (19.11.10)

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      gegen Wiederwahl Annette Schavans in Parteivorstand
      (14.11.10)

      50.000 in Dannenberg
      Auftakt zum CASTOR-Protest im Wendland (7.11.10)

      Akten über Explosion im Jahr 1969
      Erdgas unter Gorleben (13.09.10)

      Der Endlager-Schwindel
      Greenpeace veröffentlicht Akten zu Gorleben (13.04.10)

      In Asse II wird probegebohrt
      Weitere Zeitverzögerung vor der Rückholung (27.03.10)

      Atommüll-Transporte
      Glaskokillen nicht stabil (5.02.10)

      Einsturzgefahr im "Versuchs-Endlager" Asse II
      Atommüll wird rückgeholt (15.01.10)

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      Bei der Auswahl spielte Geologie kaum eine Rolle
      (10.01.10)

      "Versuchs-Endlager" Asse II:
      Mit Spezialbeton Hohlräume verfüllt (8.12.09)

      Morsleben-Kongreß
      Forderung nach Offenlegung einer geheimen Studie
      zur Rückholbarkeit des radioaktiven Mülls (21.11.09)

      "Versuchs-Endlager" Asse II:
      Decke eingestürzt (9.10.09)

      "Versuchs-Endlager" Asse II:
      Rückholung des Atommülls laut Bundesamt möglich
      (2.10.09)

      Verstärkter Laugeneinbruch
      im "Versuchs-Endlager" Asse II (18.09.09)

      Skandal-Serie Asse II: Noch mehr Plutonium
      im "Versuchs-Endlager" (29.08.09)

      Skandal-Serie Asse II:
      Hochradioaktiver Müll im "Versuchs-Endlager"?
      MONITOR veröffentlicht Siemens-Unterlagen (24.07.09)

      Skandal-Serie Asse II:
      Erneuter Fund radioaktiver Lauge (15.07.09)

      Skandal-Serie Asse II:
      Nun auch noch Sprengstoff (26.06.09)

      Desinformation in der 'Badischen Zeitung'
      Die Schweizer Endlager-Suche (18.06.09)

      Asse II: Strom-Konzerne drückten
      die Sicherheits-Standards (3.06.09)

      Asse II: Mehr radioaktiver Müll als vermutet
      Greenpeace findet Hinweise auf zu niedrige Angaben
      in den Inventar-Listen (7.05.09)

      Asse II: Einsturzgefahr in Kammer 7 akut
      (29.04.09)

      Asse II diente auch der Bundeswehr als Atomklo
      Endlager-Skandal nimmt immer neue Dimensionen an
      (24.04.09)

      Asse II: Auch Fässer mit Pestiziden,
      Arsen und Blei im "Versuchs-Endlager" Asse II (15.04.09)

      Versuchslager Asse II
      Wer hat den radioaktiven Müll produziert? (23.02.09)

      Lauge aus Atommüll-Lager Asse erneut nach 'Mariaglück'
      Dringend nötige Rückholung weiter verzögert (7.02.09)

      Einsturzgefahr im Atommüll-Lager Asse
      Seit Dezember nicht veröffentlicht (15.01.09)

      Das ungelöste Problem der Endlagerung
      Folge 12 der Info-Serie Atomenergie