12.02.2010

Studie der Citibank:
Atomenergie ist unwirtschaftlich

Atomkraft? unwirtschaftlich! Berlin (LiZ). Kürzlich veröffentlichte die US-amerikanische Citibank eine Studie, die bestätigt, was bereits vor zwei Jahren in einer wirtschaftlichen Analyse des Betriebs von AKW von AtomkraftgegenerInnen vorgerechnet worden war: Atomenergie ist - ohne massive staatliche Subventionen - unwirtschaftlich.

Eine ungeschminkten Wirtschaftlichkeitsberechnung aufgrund aktueller Daten bringt zutage, daß Atomkraftwerke erst nach 30 Jahren Betriebsdauer, wenn sie weitgehend abgeschrieben sind, Profite bringen. Unter dem recht eindeutigen Titel "New Nuclear - The Economics say no" (Neue Atomenergie - Die Ökonomie sagt nein) rechnen die AnalystInnen der US-Bank vor, daß bei einem Baupreis von über 5 Milliarden Euro und einem jährlichen Erlös abzüglich laufender Kosten von 300 Million Euro ein AKW mehr als 16 Jahre lang Strom produzieren muß, bevor es den ersten Profit abwirft. Laut den Citibank-AnalystInnen lasten zudem zwei besondere Risiken auf Neubauprojekten von Atomkraftwerken: Der Baupreis und der Strompreis. Der Baupreis hängt von der Baudauer und den Materialkosten ab. Und die zukünftigen Strompreise seien schwer zu prognostizieren. Börsennotierte Energieversorger scheuen das Risiko nahezu zwangsweise. Sie haben eines gelernt: Zuverlässig Geld bringen die Reaktoren erst nach 30 Jahren, wenn sie weitgehend abgeschrieben sind.

Dies ist eine von den Neoliberalen, die zumeist die Atomenergie befürwortet haben, nicht vorhergesehene Konsequenz der von ihnen angestoßenen Privatisierung der Energie-Konzerne und der Liberalisierung des Strom-Marktes - einer Entwicklung, die in den USA und Großbritannien rigoroser vorangetrieben wurde als in Deutschland oder gar in Frankreich, wo die EdF nach wie vor de facto ein Monopol auf dem Strommarkt besitzt.

Auf Großbritannien hatten sich die Hoffnungen der Atom-Konzerne gerichtet. Insbesondere die deutschen Konzerne Siemens, Reaktorbau, RWE und E.on, Betreiber von Atomkraftwerken, planten auf Albion der über zwei Jahrzehnte gehegten Vision einer "Renaissance der Kernenergie" zum Durchbruch zu verhelfen. Zehn neue Atomkraftwerke wünscht sich die britische Regierung unter Gordon Brown, wovon sechs von den deutschen Konzernen gebaut werden sollen. Die britischen Behörden gaben RWE und E.on sogar schon den Zuschlag für Grundstücke in Mittelengland und in Wales. In den Örtchen Wylfa und Oldbury könnten die AKW-Neubau begonnen werden. Spätestens im Jahr 2020 - so die Planungen - sollen die neuen Atomkraftwerke ans Netz gehen.

Doch mittlerweile wird immer deutlicher, daß die britische Regierung nicht in der Lage ist, die Vorfinanzierung zu übernehmen. Auch den AnalystInnen von RWE und E.on ist klar, daß ohne staatliche Finanzierung des Baus ein Atomkraftwerks-Projekt unwirtschaftlich wird. Laut Informationen der 'Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung' sind RWE und E.on mittlerweile zum Ergebnis gekommen: "Ökonomisch nicht darstellbar".

Für die Atomindustrie ist die Erkenntniss allerdings nicht neu, weil noch nie in der Geschichte der Branche ein privates Unternehmen das komplette kommerzielle Risiko für Bau und Betrieb eines Atommeilers übernommen hat. Allerdings favorisieren gerade jetzt viele Regierungen, einschließlich der britischen, private Lösungen, weil ihnen spätestens seit Beginn der Weltwirtschaftskrise das Geld für Kraftwerksinvestitionen ausgegangen ist.

"Alle Modelle, bei denen ein privater Betreiber das komplette Risiko des Kernkraftprojektes übernimmt, sind zum Scheitern verurteilt", verriet ein hoher E.on-Manager gegenüber der FAZ. Flapsig habe er das Fazit gezogen: "Ohne Staatskohle keine Kernkraft." Kein Wunder sei es da, daß RWE jüngst aus dem Bauprojekt im bulgarischen Belene ausgestiegen sei. Dies habe nicht am Protest deutscher AtomkraftgegenerInnen gelegen, sondern daran, daß dem deutschen Strom-Konzern das finanzielle Risiko zu groß wurde.

Die Studie der Citibank warnt insbesondere mit dem Hinweis auf das AKW-Neubauprojekt im finnischen Olkiluoto: "Wenn bei Investitionssummen in dieser Höhe ein Bauprojekt aufs Schlimmste falsch läuft, kann es die Finanzkraft selbst der größten Energieversorger beschädigen." Das Projekt in Olkiluoto, das im Jahr 2004 begonnen wurde, sollte laut den ursprünglichen Plänen ab Juli 2009 Strom produzieren. Siemens hat bereits im Januar 2009 die Trennung vom französischen Konzern Areva bekannt gegeben, mit dem gemeinsam der Neubau in Olkiluoto realisiert werden sollte. Der Termin für die Fertigstellung wurde in den vergangenen Jahren nach und nach auf 2012 verschoben. Doch Areva wagt mittlerweile nicht einmal mehr, diesen Termin zu bestätigen. Die ursprünglich auf 3,2 Milliarden Euro veranschlagten Baukosten wurden mittlerweile um mehr als 2,3 Milliarden Euro überschritten. Dabei hatten Areva und Siemens ursprünglich die schlüsselfertige Übergabe zum Fixpreis von 3,2 Milliarden Euro versprochen. Schließlich sollte das finnische AKW-Neubauprojekt als Referenz für andere mögliche Interessenten dienen.

Gerade aus finanzieller Sicht stünden die Atom-Konzerne bei großen AKW-Projekten vor Risiken, mahnt die Citibank-Studie. Diese Risiken seien nur schwer zu überschauen. Schließlich müßten die KonzernstrategInnen dabei Planungszeiträume von 30 bis 40 Jahren überblicken.

Auf der Baustelle in Olkiluoto sind 4000 bis 5000 Leute beschäftigt, die rund 400 Euro pro Kopf und Tag kosten. So kostet jeder verlorene Tag zwischen 1,5 und 2 Millionen Euro, plauderte ein deutscher Energiemanager gegenüber der FAZ aus. Auch in Ländern wie China oder Indien, wo AKW-Neubaupläne bislang noch mit staatlichen Vorfinanzierungen angegangen werden konnten, ist eine Kostenexplosion zu verzeichnen. Daß dieser Effekt weltweit zu beobachten ist, bestätigt eine interdisziplinäre Gruppe von WissenschaftlerInnen der US-amerikanischen Eliteuniversität MIT. Die ForscherInnen sprechen von einer dramatischen Eskalation der Kosten sämtlicher großen Industrieprojekte, bei denen Ingenieurleistungen gefragt sind. Aber besonders schlimm seien die Kostenentwicklungen bei Atomkraftwerken.

 

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