23.07.2010

Giftmüll-Skandal
Schweizer Ölhandelsfirma
zu 1 Million Euro Geldstrafe verurteilt

Giftmüll-Frachter Probo Koala Amsterdam (LiZ). Vier Jahre nach dem Giftmüll-Transport in den westafrikanischen Staat Elfenbeinküste ist die Schweizer Ölhandelsfirma Trafigura in den Niederlanden zu einer Geldstrafe in Höhe von einer Million Euro verurteilt worden. In der Folge der Ablagerung des Giftmülls erlitten 30.000 Menschen Vergiftungen und 17 kamen zu Tode. Die Geldstrafe wurde allerdings lediglich wegen eines Zwischenstops auf niederländischem Territorium verhängt.

Die in der Schweiz ansässige Ölhandelsfirma Trafigura hatte im Jahr 2006 den Frachter 'Probo Koala' für den Transport von 500 Tonnen Giftmüll gechartert, der dann auf offenen Halden in der Nähe der Hafenstadt Abidjan, einer Metropole mit rund 3 Millionen EinwohnerInnen, zurückgelassen wurde. In der Folge der Ablagerung der petrochemischen Abfälle wurden 30.000 Menschen vergiftet und 17 kamen zu Tode. Die AnwohnerInnen leiden bis heute. Das Amsterdamer Gericht verurteilte Trafigura wegen Verstoßes gegen EU-Richtlinien bei einem dreitägigen Zwischenstop in Amsterdam vor der Weiterfahrt nach Abidjan im Jahr 2006.

Auch wenn das niederländische Gericht nicht über den Giftmüll-Skandal in der Elfenbeinküste verhandelte, rügte es in seinem Urteil, daß Trafigura nicht genau geprüft habe, ob Abidjan über geeignete Anlagen zur Aufbereitung des Chemie-Mülls verfügte. Die transportierten 500 Tonnen Müll sollten nach Kenntnisstand des Gerichts zunächst in den Niederlanden aufbereitet werden. Das Vorhaben wurde aber fallen gelassen, weil sich der Müll als giftiger als angegeben erwies und die Amsterdamer Hafenbehörde einen höheren Preis für die Entsorgung forderte. Die Besatzung der 'Probo Koala' hatte zunächst behauptet, ihre Tanks seien lediglich mit Schmutzwasser gefüllt. Nach einem Streit über die Entsorgungskosten verließ die 'Probo Koala' den Hafen aber wieder, noch ehe die tatsächliche Zusammensetzung der gefährlichen Fracht geklärt werden konnte. Der Giftmüll wurden dann stattdessen in Abidjan abgeladen, wo Trafigura für die "Entsorgung" nur 35 US-Dollar pro Tonne zahlen mußte - in Amsterdam hätte sie 750 US-Dollar pro Tonne gekostet.

Dem in der Schweiz ansässigen, international tätigen Unternehmen Trafigura drohte eine Geldstrafe von bis zu 2,1 Millionen Euro. Zur Beilegung des Giftmüll-Skandals hatte sich Trafigura im Februar 2007 bereit erklärt, umgerechnet 152 Millionen Euro an die Elfenbeinküste zu zahlen.

Das Gericht verurteilte außerdem einen Trafigura-Mitarbeiter zu sechs Monaten Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe von 25.000 Euro. Der Mann hatte den Zwischenstop in den Niederlanden organisiert. Der ukrainische Kapitän des Schiffes erhielt eine fünfmonatige Bewährungsstrafe. Beiden hatte bis zu 21 Jahre Gefängnis und eine Strafe von 134.000 Euro gedroht. Der Franzose Claude Dauphin, Chef von Trafigura, muß noch einmal vor Gericht. Er hatte behauptet, erst von der Gefährlichkeit der Ladung der 'Probo Koala' erfahren zu haben, als das Schiff bereits vollständig entladen war. Das niederländische Oberste Gericht akzeptierte diese Verteidigung nicht und verwies den Fall zurück an das Amsterdamer Berufungsgericht.

Greenpeace begrüßte das Urteil als "Anfang der Gerechtigkeit". Der nächste logische Schritt sei, daß Trafigura für die Ablagerung des Giftmülls in der Elfenbeinküste verfolgt werde, sagte eine Greenpeace-Sprecherin.

In der Nacht vom 18. auf 19. August 2006 rochen die BewohnerInnen von Akuedo, einem ärmlichen Stadtteil von Abidjan, einen ungewohnten, süßlichen Geruch von den nahegelgenen Abfallhalden herüberwehen. "Plötzlich hat es so süßlich gerochen, und bald darauf haben wir keine Luft mehr bekommen, im Haus war es fast unmöglich, zu atmen. Wir sind dann raus auf die Straße, aber da war es noch viel schlimmer. Also sind wir wieder rein und haben durch Stofftücher geatmet, die ganze Nacht, und in großer Angst," berichtet Innocent Kassi, einer der Betroffenen.

Elfenbeinküste ist einer der ärmsten Staaten der Welt. Im "Entwicklungsindex" der Vereinten Nationen steht die Elfenbeinküste auf Platz 163 von 182. Trotz einer zwischenzeitlichen offiziellen Dekontaminierung der Halden ist vier Jahre später immer noch Gift vorhanden. In der Regenzeit wird es durch das verseuchte Grundwasser nach oben gespült. Akuedo sei eine giftige Chemiefabrik ohne Zaun, sagt Innocent Kassi. Doch zum Wegziehen hat er kein Geld. Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Migräne, Nasenbluten - bei manchen seien diese Symptome bis heute geblieben.

Chronische Atemwegserkrankungen, Hautausschläge und Sehbehinderungen steigen in Akuedo seit 2006 dramatisch an - ebenso wie Fehlgeburten und Krebs. Ein Gutachten der Vereinten Nationen bestätigte im vergangenen Herbst, daß die Giftmüll-Ablagerungen für Todesfälle und Krankheiten ursächlich sind.

Zur offiziellen Dekontaminierung hatte Trafigura 152 Millionen Euro beigetragen. Doch viel davon ist in Abidjan in korrupten Kanälen versickert. Deswegen hat sich in Akuedo nicht viel gebessert. Viele wissen nicht, warum sie auf den Müllhügeln rund um ihre Häuser keinen Mais anbauen und schon gar nicht essen sollen und warum das Wasser aus den Brunnen auch abgekocht tödlich sein kann. Aber die Menschen haben keine andere Wahl - sie haben Hunger. Geld für teures Mineralwasser aus Plastikflaschen haben sie nicht.

Christine Melai benötigt viel Geld für Medikamente. Die 30-Jährige leidet unter schwerem Hautausschlag. Wegen der Schmerzen hat sie ihre Arbeit als Textilverkäuferin längst aufgeben müssen. Sie gehört zu den rund 30.000 Betroffenen, die im vergangenen Jahr von Trafigura etwas mehr als 1000 Euro Entschädigung erhalten haben. Das Geld ist längst für eine Behandlung im Krankenhaus ausgegeben. "Mit Gift kontaminierte Menschen kann man doch nicht mit so einer einmaligen Zahlung abspeisen," kritisiert Melai. Wie wolle man Frauen entschädigen, die Fehlgeburten hatten oder behinderte Kinder zur Welt gebracht haben? Dafür gebe es kein Geld.

Auch Rachel Gogoua vom Opferverband ist wütend. Trafigura habe die vom Müll ausgehende Gefahr verheimlicht und Schriftstücke gefälscht, um die Schiffsladung nicht in Amsterdam, sondern in Afrika weit günstiger los zu werden. Trafigura habe viele Leute gekauft, um sie zum Schweigen zu bringen, heißt es in Abidjan. Die Konzernleitung habe sich bereits mit der Regierung der Elfenbeinküste geeinigt. "Da haben sich viele die Taschen vollgemacht, weitere Ansprüche gibt es nicht," klagt Rachel Gogoua. Eine Firma wie Trafigura, die Almosen verteile, die keine Schuld eingestehe und die sogar versuche, die Berichterstattung in den Medien zu verhindern, sei eine Schande für Europa. Afrika sei keine Müllkippe für den reichen Norden.

 

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