28.01.2010

Steuerfahnder-Affaire Hessen

Für Roland Koch kommen Erinnerungen
an Spendenskandale ungelegen

Steuerfahndung - Adler mit gestutzten Krallen Wiesbaden (LiZ).
Erfolgreiche Steuerfahnder wur- den in Hessen entlassen und für verrückt erklärt. Am heutigen Donnerstag nun startet ein Untersuchungsausschuß im hes- sischen Landtag, der die Affaire aufklären soll. Er soll ermitteln, ob Frankfurter Steuerfahnder gezielt aus dem Dienst gedrängt wurden, nachdem sie die aus ihrer Sicht nachlässige Verfolgung von Steuerflüchtlingen kritisiert hatten. Aufgeklärt werden soll auch die Rolle von Ministerpräsident Roland Koch und Finanzminister Karlheinz Weimar. Es dürfte spannend werden, ob die Abgeordneten der Linkspartei mehr Eifer bei der Aufklärung zeigen, als in der Vergangenheit die "S"PD.

Koch steht steht nach seinem Vorstoß für eine Arbeitspflicht bei Hartz-IV-Empfängern in der Kritik. Da kommt es ihm recht ungelegen, wenn das öffentliche Augenmerk auf sein Verhältnis zum "großen Geld" und auf die Finanzlage Hessens gelenkt wird. Im Mittelpunkt der Affaire um die entlassenen Steuerfahnder steht Roland Kochs Palladin und derzeitige Finanzminister Karlheinz Weimar. Weimar ist neben Innenminister Volker Bouffier einer der engsten Vertrauten Roland Kochs. Die drei "CD"U-Politiker sind Kumpel seit ihrer Zeit bei der 'Jungen Union' und machten gemeinsam als Juristen Karriere. Weimar steht im Verdacht, die Finanzbehörden mit der Ausschaltung der allzu erfolgreichen Steuerfahnder beauftragt zu haben.

Es handelt sich bereits um den zweiten Untersuchungsausschuß in der Steuerfahnder-Affaire. Doch mittlerweile ist die Luft um Weimar und Koch dünner geworden: Ein Gericht hat den Gutachter Thomas Holzmann verurteilt. Der Psychiater hatte seit Oktober 2005 - knapp zwei Jahre nach Beginn der Affaire - nicht weniger als 22 Fälle in der hessischen Finanzverwaltung begutachtet und wohl "des Guten zuviel" getan: In zwei Dritteln der Fälle hatte er "Dienstunfähigkeit" diagnostiziert.

Weimar muß sich bereits seit Jahren gefallen lassen, als "Schuldenkönig" bezeichnet zu werden. Doch über Hessens Landesgrenzen hinaus ist kaum bekannt, daß der hessische Ministerpräsident Roland Koch und sein Finanzminister alles andere als eine solide Finanzpolitik betreiben. Hessen eilt von Rekord zu Rekord bei der Aufnahme neuer Schulden. Das geläufige Gegenargument des Ministers, daß der Länderfinanzausgleich Hessen benachteilige, ist äußerst fadenscheinig: Weimar hatte die Bedingungen 2001 selbst mit ausgehandelt. Sogar die 'Frankfurter Allgemeine' berichtete am 15. Oktober 2005 ("Hessen wieder mit verfas- sungswidrigem Etat"), daß der Hessische Haushalt 2006 die Schuldengrenze, die in der hessischen Verfassung eigentlich verbindlich vorgegeben ist, bereits zum fünften Mal hintereinander überschritt.

Eine kurze Chronik der Skandale:

1996: Staatsanwaltschaft und Steuerfahnder aus dem Finanzamt Frankfurt V fahren zur Hausdurchsuchung bei der Commerzbank vor. Sie beschlagnahmen kistenweise Beweismaterial. Das "Ermittler-Team von Frankfurt V" entsteht. Die Commerzbank muß später rund 200 Millionen Euro Steuern nachzahlen sowie 60 Millionen Verzugszinsen. Drei Spitzenmanager der Bank zahlen rund 600.000 Euro an gemeinnützige Einrichtungen und drei Millionen an den Staat, damit Ermittlungen gegen sie eingestellt werden. Dennoch beschweren sich die Manager bei PolitikerInnen, die Fahnder hätten dem Finanzstandort geschadet.

1998: Die Frankfurter Steuerfahndung wird personell verstärkt: Rund 100 Beamte sind jetzt dort beschäftigt, die erfolgreich große Steuersünder aufspüren. Bundesweit spülen die Ermittlungen der Fahnder über ein Milliarde an Steuernachzahlungen in die Staatskasse. Oft geht es dabei um Steuerhinterziehung mit Hilfe ausländischer Konten in der Schweiz oder Liechtenstein.

1999 gewinnt die "CD"U die Landtagswahl und regiert mit der FDP in Hessen. Roland Koch wird Ministerpräsident, Karlheinz Weimar Finanzminister. Ende des Jahres wird die Schwarzgeld-Affaire aufgedeckt. Die hessische "CD"U hatte Millionen in einer Liechtensteiner Stiftung versteckt. Auch Frankfurter Steuerfahnder helfen bei den Ermittlungen gegen die "CD"U, werden aber von Vorgesetzten gestoppt.

29. März 2001: Ein Bericht des Finanzamts Frankfurt V an die Oberfinanzdirektion und das hessische Finanzministerium warnt, daß es bei der Steuerfahndung einen nicht mehr vertretbaren personellen Engpaß gebe. Der Amtsleiter fordert mehr Personal.

30. August 2001: Finanzminister Weimar stellt kein zusätzliches Personal bereit. Stattdessen wird den Steuerfahndern in einem geschlossenen Umschlag eine geheime Amtsverfügung überreicht. Der Inhalt: Geldtransfers ins Ausland seien nur noch dann strafrechtlich verdächtig, wenn es sich um Summen über 500.000 Mark handelt oder Einzelbeträge über 300.000 Mark entdeckt werden. Die Fahnder befürchten, daß damit große Steuerhinterzieher durch die Maschen schlüpfen können, wenn diese ihr Geld nach dem Vorbild des "FD"P-Politikers Möllemann in kleine Tranchen stückeln. Doch es blieb dabei, die Fahnder sollten bei solchen Beträgen nicht mehr ermitteln dürfen. Sie beharren dennoch darauf, daß oft kleinere Beträge wie etwa Depotgebühren auf einem inländischen Konto die Ermittler erst zu den großen Geld-Verstecken im Ausland führten. Sie halten die Anweisung für Strafvereitelung und erheben Einwände dagegen. Doch die Finanzverwaltung bleibt stur. Sie wenden sich direkt an Weimar und an Koch, doch auch dies bleibt ohne Erfolg.

2001 bis 2009: Alle Beamten, die es wagten, auf diese Dienstanweisung mit Widerspruch zu reagieren, werden jahrelang intern angefeindet, versetzt, gemobbt und schließlich aus dem Dienst entfernt. Ab September 2003 befaßt sich erstmals ein Untersuchungsausschuß des hessischen Landtags mit der Affaire. Der letzte Fahnder des Teams, Marco Wehner, wird 2009 im Alter von 39 Jahren zwangspensioniert.

November 2009: Das Berufsgericht für Heilberufe in Gießen stellt fest, daß die psychiatrischen Gutachten, mit denen vier Steuerfahnder zwangspensioniert wurden, vorsätzlich falsch erstellt wurden. Das Urteil ist rechtskräftig. Das Land Hessen hat keinen Widerspruch eingelegt. Dennoch lehnt Finanzminister Weimar bislang jede Verantwortung ab.

 

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