25.05.2010

Hessens Ministerpräsident
Roland Koch tritt zurück

Roland Koch als Kühlerfigur Wiesbaden (LiZ). Der plötzliche Rücktritt des erst 52-jährigen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch kommt für die gesamte Medienlandschaft überraschend. Doch überraschen würde es sicher niemanden, wenn in den kommenden Tagen irgendein Skandal ruchbar würde, der den Rücktritt erklärt. So bleibt denn vorerst ein Rückblick auf vergangene Skandale.

1999 kam Roland Koch in Wiesbaden an die Macht. Selbst in der damals noch in weiten Teilen christlich geprägten "C"DU sorgte sein Wahlkampf, mit dem er diese Wahl als Nachfolger Hans Eichels gewann, für Entsetzen. Koch setzte auf eine Unterschriften-Aktion gegen die von der "rot-grünen" Bundesregierung geplante doppelte Staatsbürgerschaft, um so die Stimmen vom rechten Rand des politischen Spektrums zu fischen. Zugleich galt Koch als Lobbyist des Ausbaus des Frankfurtes Flughafens und des maroden AKW Biblis. Roland Koch war dann neben seinem Amt als hessischer Ministerpräsident von 1999 bis 2003 zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der Trägergesellschaft des Frankfurter Flughafens, der Fraport AG, an der das Land Hessen seinerzeit einen Anteil von etwa 45 Prozent hatte.

Bereits in der 1970er Jahren hatte sich der noch minderjährige Roland Koch auf den Weg in die Politik gemacht, chauffiert von seiner Mutter - beispielsweise zu Veranstaltungen der Jungen Union. Dort trat er in Anzug und schwarzem Aktenkoffer auf und weckte den Argwohn seiner Mitstreiter, sein Streben ziele auf das Amt des Bundeskanzlers.

Doch 1999, nur wenige Monate nachdem Koch hessischer Ministerpräsident wurde, kam ein zweiter Spenden-Skandal um Altkanzler Helmut Kohl zu Tage. Im weiteren Verlauf dieses Spenden-Skandals wurde am 13. April 2000 ein Brief des früheren Bundesschatzmeister der CDU Walter Leisler Kiep an Bundeskanzler Helmut Kohl veröffentlicht: Kiep hatte 1993 in diesem Brief Kohl um Hilfe für den Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber gebeten unter dem Hinweis auf die hochbrisante Lieferung von Fuchs-Spürpanzern an Saudi-Arabien 1991.

Kiep konnte den Verbleib von 1,5 Millionen Schweizer Franken Schwarzgeld, das auf einem Konto in Liechtenstein geparkt war, nicht belegen. Bereits im Januar 2000 hatte der damalige Nachfolger Kohls als CDU-Partei- und Fraktionsvorsitzender, Wolfgang Schäuble, eingestehen müssen, daß er vom Waffenlobbyisten Schreiber im Jahre 1994 eine Bar-Spende über 100.000 Mark für die CDU entgegengenommen hatte. Am 16. Februar 2000 erklärt Schäuble, als Partei- und Fraktionsvorsitzender nicht mehr zu kandidieren. Ebenfalls im Januar räumt der ehemalige hessische CDU-Vorsitzende Manfred Kanther ein, im Jahre 1983 insgesamt 8 Millionen Mark der Landes-CDU ins Ausland transferiert zu haben und Rücküberweisungen als Vermächtnisse oder Kredite getarnt zu haben. Kanther gilt als Kochs hessischer Ziehvater.

Roland Koch behauptete, von den Schwarzgeld-Schiebereien in Hessen nichts gewußt zu haben. Auf einer Pressekonferenz am 10. Januar 2000 verschwieg er trotz mehrfacher Nachfrage die Rückdatierung eines Kreditvertrags über 2 Millionen DM, der Geldflüsse in der Parteibuchhaltung rechtfertigen sollte. Kurz darauf mußte er sein Wissen hierüber eingestehen. Koch erklärte allerdings am 27. Januar 2000, daß im Jahre 1983 nicht 8 Millionen, sondern 18 Millionen Mark in die Schweiz transferiert worden seien. Damals versprach Koch in der Spenden-Affaire "brutalstmögliche Aufklärung", eine Sprachschöpfung, die sprichwörtlich werden sollte. Später stellte sich heraus, daß Koch selbst an der Tarnung der Spenden-Gelder beteiligt war. Und am 7. September 2000 mußte der damalige hessische Generalsekretär (und spätere Kriegsminister) Franz Josef Jung zurücktreten, da ihm die Verantwortung für die Finanzierung von Wahlkämpfen und des Baus einer neuen Parteizentrale aus als "jüdische Vermächtnisse" getarnten Schwarzgeldern zur Last gelegt wurde.

Für einen Eklat im Bundesrat sorgte Roland Koch am 2. März 2002, als in der Länderkammer die Abstimmung über das Zuwanderungsgesetz anstand. Er ereiferte sich bei der Stimmabgabe Brandenburgs: "Das geht nicht! Nein, Herr-Präsident, nein! (...) Das ist glatter Rechtsbruch! (...) Herr Präsident, unterbrechen Sie, damit wir das beraten! (...) Nein, ich mäßige mich nicht! (...) Da ist offensichtlich und gewollt das Recht gebrochen! (...) Sie manipulieren eine Entscheidung des Bundesrates! Was fällt Ihnen ein!" Der saarländische "schwarze" Ministerpräsidenten Peter Müller offenbarte später, welche Schmierenkomödie im Bundesrat geboten wurde: Inklusive Tränen und Gebrüll war der gesamte Eklat vorher abgesprochen und inszeniert. In Schauspielerkreisen wurde allerdings hernach Kochs einschlägige Begabung als beachtlich gewürdigt.

Im Jahr 2003 soll sich Roland Koch neben seinem Einsatz für den stetigen Ausbau des Frankfurter Flughafens in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender der Fraport AG dafür eingesetzt haben, daß die Gehälter zweier Vorstandsmitglieder um nahezu 50 Prozent angehoben werden. Vor dem Hintergrund, daß im selben Jahr das Weihnachtsgeld für die Betriebsrentner der Fraport ersatzlos gestrichen wurde, sorgte dies für einen - für Kochs Verhältnisse - kleinen Skandal. Nachgewiesen werden konnte ihm ein persönlicher Einsatz allerdings nie.

Koch war auch in die Visa-Affaire verwickelt, die beinahe den pseudo-grünen Außenminister Joseph Fischer im Jahr 2005 das Amt gekostet hätte. Koch hatte noch Mitte Oktober 2004 Fischer angefeuert, chinesischen TouristInnen nach dem umstrittenen "Reisebüroverfahren" Visa zu erteilen. In einem Schreiben an Außenminister Fischer schrieb Koch: "Im europäischen Wettbewerb um die wachsende Zahl chinesischer Gäste ist die zeitnahe Visa-Erteilung ein wichtiger und nicht zu unterschätzender Faktor." Mit einem seit September 2004 angewendeten Abkommen zwischen EU und China wurde das "Reisebüroverfahren" für 13 Schengen-Staaten vereinbart.

Auch im Fall des Frankfurter Polizeivizepräsident Wolfgang Daschner, der 2004 die Folter zur Erzwingung von Aussagen von Untersuchungshäftlingen befürwortet hatte, profilierte sich Koch mit rechtsextremen Äußerungen. So äußerte der hessische Ministerpräsident etwa "menschliches Verständnis" für die Position Daschners.

Zu Beginn der "schwarz-roten" Koalition im Oktober 2005 verkündete Roland Koch "Heulen und Zähneklappern". Der hessische Ministerpräsident und Verhandlungsführer bei Steuern und Finanzen in den "schwarz-roten" Koalitionsverhandlungen, erklärte: "Meine Einschätzung ist leider, daß dieses Land, die Bundesrepublik Deutschland, flächendeckend von Heulen und Zähneklappern ereilt wird." Auch eine "Schockstarre" befürchte er.

Mit welchen Proben seines Könnens hatte sich Roland Koch als Wirtschaftsfachmann zuvor ausgewiesen? Koch ist als Ministerpräsident dafür verantwortlich, daß Hessen bankrott ist. Wie sogar die 'Frankfurter Allgemeine' am 15. Oktober 2005 auf der Titelseite berichtete ("Hessen wieder mit verfassungswidrigem Etat"), überschritt der Hessische Haushalt 2006 die Schuldengrenze, die in der hessischen Verfassung eigentlich verbindlich vorgegeben ist, zum fünften Mal hintereinander.

Roland Koch steht nach wie vor im Verdacht, daß von ihm die Machenschaften gegen vier allzu tüchtige hessische Steuerfahnder ausgingen. Mit Hilfe fragwürdiger psychiatrischer Gefälligkeitsgutachten sollten diese zur Aufgabe gezwungen werden, da sie den "Finanzplatz Frankfurt" angeblich beschädigt hatten, indem sie gegen Steuerhinterziehung konsequent vorgegangen waren. Hinter vorgehaltender Hand hatte es geheißen, die staatstreuen Steuerfahnder hätten schwerreiche Förderer Roland Kochs zur Verlegung ihres Wohnorts ins Ausland veranlaßt.

Im Wahlkampf 2007 wollte Koch sein Vorgehen von 1999 wiederholen und erneut auf Ausländerfeindlichkeit setzen. Nach einem schockierenden Übergriff Jugendlicher auf einen Rentner in München machte Koch bundesweit Schlagzeilen mit der Forderung nach schärferen Regeln für junge ausländische Gewalttäter: "Wer sich als Ausländer nicht an unsere Regeln hält, ist hier fehl am Platze." und "Wir haben zu viele kriminelle junge Ausländer." Wenige Tage vor der Landtagswahl spitze Koch weiter zu: "Wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß es eine sehr aggressive Kriminalität einer sehr kleinen Gruppe von Menschen unter 14 Jahren gibt. (...) In Ausnahmefällen könnten Elemente des Jugendstrafrechts für diese Zielgruppe eingesetzt werden." Allerdings vergaloppierte er sich mit der Forderung, daß die Frist zwischen Straftat und Gerichtsverhandlung verkürzt werden müsse. Noch vor dem Wahltermin wurde öffentlich, daß Hessen gerade hier im Vergleich mit anderen Bundesländern schlechter abschnitt. Gemessen an den eigenen Maßstäben hatte Koch noch schlechter als vergleichbare "schwarze" Ministerpräsidenten regiert und die Probleme, die er und zunächst auch die Mainstream-Medien hochpushten, selbst verursacht. Erst dies - und nicht die ausländerfeindliche Hetze - führte zu einem Meinungsumschwung und zum tiefen Fall der hessischen "C"DU auf nur noch 36,8 Prozent. Nach schweren Verlusten gestand selbst die hessische "C"DU ein, daß die vom Zaun gebrochene Debatte nicht gerade dienlich war. So schrieben kurz darauf 17 prominente Unionspolitiker in einem Offenen Brief in der 'Zeit': "Integrationspolitik ist so fundamental für die Zukunft unseres Landes, dass sie nicht zum Wahlkampfthema degradiert werden darf." Außerdem kritisierte eine Sudie der "C"DU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung Kochs Wahlkampf und kam zum Schluß, daß die Debatte um Jugendkriminalität ihm geschadet habe.

2007 erhielt Roland Koch das Großes Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband.

2009 setzte sich Roland Koch vehement für die Ablösung des damaligen ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender ein, der nicht gerade als linientreuer "schwarzer" Vasall eingeschätzt wurde. Kochs offenes Vorgehen, das lediglich dem zuvor verdeckt gespielten Postengeschacher der großen Parteien widersprach, wurde unter anderem durch einen Offenen Brief mehrerer Verfassungsrechtler gerügt.

Im Januar 2010 zog Koch erneut Kritik auf sich. Er hatte in Unkenntnis der realen Gesetzeslage etwas gefordert, was längst eingeführt ist: "Wir müssen jedem Hartz-IV-Empfänger abverlangen, daß er als Gegenleistung für die staatliche Unterstützung einer Beschäftigung nachgeht, auch niederwertige Arbeit, im Zweifel in einer öffentlichen Beschäftigung." Selbst einige "schwarze" Bundesminister gingen danach auf Distanz zu Koch.

Und im Februar 2010 kam zu Tage, was Roland Koch - nicht anders als seine Kollegen in Ministerpräsidentenämtern oder als Berliner Minister - für das Klima übrig hat: 348 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer stößt seine Dienstlimousine aus, ein VW Phaeton, der im Stadtverkehr mehr als 20 Liter Benzin pro 100 Kilometer schluckt.

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Hessen: Steuerhinterziehung in Millionenhöhe
      Michael Wolski verurteilt
      Hessische Staatsrichterin tritt zurück (26.03.10)

      Dienstwagen-Studie der DUH:
      Die Klima-Heuchler von Koch bis Platzeck (25.02.10)

      Steuerfahnder-Affaire Hessen
      Für Roland Koch kommen Erinnerungen
      an Spendenskandale ungelegen (28.01.10)

      Das Ermittler-Team von Frankfurt V
      Wie allzu tüchtige Steuerfahnder
      für verrückt erklärt wurden (2.12.09)

      Hessens Marodeur Roland Koch droht
      mit "Heulen und Zähneklappern"
      "Schwarz-Rot" will 35 Milliarden
      im Bundeshaushalt kürzen (25.10.05)

      Koch in Visa-Affäre verstrickt
      Hessens Ministerpräsident feuerte Fischer an (19.02.05)

      Hessens Ministerpräsident Koch
      verliert 92 zu 8 (6.12.04)