11.11.2010

Gericht erlaubt Lügenpropaganda
Vebraucherzentrale unterliegt Atom-Industrie

Das grüne AKW für Klimaschutz Düsseldorf (LiZ). Die Atom- Industrie darf in Deutschland weiter mit der Aussage werben, ihre AKW würden Strom produzieren, ohne den Klimakiller Kohlendioxid freizusetzen. Die Verbraucherzentrale Nordrhein- Westfalen scheiterte gestern nach eigenen Angaben vor dem Landgericht Berlin mit dem Versuch, gegen eine Kampagne des Deutschen Atomforums ("CO2-Ausstoß = 0") eine Einstweilige Verfügung wegen unlauterer Werbung zu erwirken. Real wird jedoch mit der Produktion von Strom in den 17 deutschen Reaktoren insgesamt eine Emission von rund 9 Millionen Tonnen Kohlendioxid im Jahr verursacht.

Nach wie vor ist auch auf der Propaganda-Seite der deutschen Atom-Konzerne im Internet www.kernenergie.de zu lesen, bei Atomstrom gebe es keine Emission von Kohlendioxid. Vor Gericht hatte die Lobby-Organisation der Atom-Konzerne vorsichtiger argumentiert: Die Produktion der Brennelemente sei "ein externer Vorgang" und bei der Klimabilanz des Betriebs eines Kernkraftwerks nicht zu berücksichtigen.

Die Branche der erneuerbaren Energien ist da ehrlicher. Die öffentlich zugänglichen Daten besagen, daß auch bei der Stromerzeugung aus Windenergie oder Photovoltaik Kohlendioxid-Emissionen verursacht werden. Denn bei einer ehrlichen Ökobilanz muß die gesamte Produktionskette berücksichtigt werden und nicht allein die - am Ende - emissionsfreie Produktion im Kraftwerk. Konkret verursacht etwa die Produktion von einer Kilowattstunde (kWh) Strom durch Windkraftwerke rund 12 Gramm CO2, durch Photovoltaik rund 60 g CO2 oder durch Wasserkraft rund 4,5 Gramm CO2.

Die Atom-Lobby behauptet: Wir vermeiden mit deutschen Atomkraftwerken pro erzeugter Kilowattstunde Strom 1000 Gramm CO2. Bei den im vergangenen Jahr in den 17 deutschen Reaktoren insgesamt erzeugten 135 Terawattstunden (TWh) - eine TWh gleich eine Milliarde kWh - entspräche dies einer Menge von 135 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Aufgrund der öffentlich verfügbaren Daten läßt sich jedoch, ohne höhere Mathematik bemühen zu müssen, Folgendes nachrechnen:

Bei der Produktion von Atomstrom wird unter Berücksichtigung der gesamten Produktionskette von der Uranmine über die Herstellung von Brennelementen mit angereichertem Uran bis hin zum Atomkraftwerk eine Emission von rund 65 Gramm CO2 pro kWh verursacht. Daraus ergeben sich bei den im Jahr 2009 erzeugten 135 TWh nach Adam Riese rund 9 Millionen Tonnen CO2.

Insgesamt wurden in Deutschland im Jahr 2009 rund 561 TWh Strom erzeugt. (135 TWh Atom-Strom entsprechen also rund 24 Prozent.) Bei der Stromproduktion in deutschen Kraftwerken wurden insgesamt 322 Millionen Tonnen CO2 verursacht - dies sind durchschnittlich 574 Gramm pro kWh. Alle übrigen Kraftwerke haben also bei der Produktion von (561 - 135) 426 TWh eine Emission von (322 - 9) 313 Millionen Tonnen CO2 verursacht - also 735 Gramm CO2 pro kWh freigesetzt. Wären also die 135 TWh Atomstrom durch den übrigen Mix erzeugt worden, hätte dies rund 99 Millionen Tonnen CO2 verursacht. Von diesen sind die 9 Millionen Tonnen, die durch Atomstrom verursacht wurden, abzuziehen, so daß unterm Strich tatsächlich nur rund 90 Millionen Tonnen CO2 vermieden wurden.

Im Vergleich hierzu wurden nach Berechnungen des Umweltbundesamtes im Jahr 2009 bei der Stromerzeugung durch erneuerbare Energien rund 69 Millionen Tonnen CO2 vermieden. Und dies, obwohl der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromproduktion mit insgesamt 94,4 TWh erst 16,8 Prozent ausmachte.

Klaus Müller, Chef der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, zeigte sich über das aktuelle Urteil enttäuscht. Die Verbraucherzentrale prüfe nun, Berufung dagegen einzulegen.

 

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