9.04.2012

Zehntausende beim Ostermarsch
Gegen Krieg und Atomwaffen

Ostermarsch 2012 in Stuttgart, 7.04.12, Foto: Klaus Schramm Berlin (LiZ). In vielen deutschen Städten nahmen auch in diesem Jahr Zehntausende am Oster­marsch teil. Kritisiert wurden die deutsche Beteiligung am Afghanistan-Krieg und die steigenden deutschen Waffen­exporte in alle Welt. Seit mittlerweile 52 Jahren steht beim Ostermarsch die Forderung nach Abschaffen der Atomwaffen im Mittelpunkt. Weitgehend positiv aufgenommen wurde der in den Mainstream-Medien nahezu ausnahmslos diffamierte Beitrag des Schriftstellers und Literaturnobelpreisträgers Günter Grass zum israelisch-iranischen Konflikt.

Eine der Hauptforderungen, die sich von Kiel bis München und von Köln bis Cottbus auf den Transparenten und in den Redebeiträgen beim Ostermarsch fand war: Bundeswehr raus aus Afghanistan! Kriegsvorbereitungen stoppen! Atomwaffen abschaffen!"

Beim Ostermarsch Rhein/Ruhr sagte Manfred Sträter, Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung, Genuss und Gaststätten (NGG): "Jede Minute stirbt ein Mensch durch Waffengewalt. Das sind 1.440 Menschen täglich.“ Dominiert werde der Waffenhandel durch Konzerne in den USA und in Westeuropa. "Deutschland nimmt dabei eine führende Stellung ein." Sträter kritisierte insbesondere Bundeskanzlerin Angela Merkel. Trotz des Schuldenberges setze sich Merkel nicht für eine drastische Reduzierung der Militärausgaben Griechenlands ein. Der griechische Militärhaushalt sei in Relation zum Staatshaushalt fast doppelt so hoch wie der anderer europäischer Staaten. Sträter forderte eine Rüstungskonversion, also die Umstellung der Produktion von Waffen auf zivile Güter. So könnten Arbeitsplätze geschaffen und zugleich Kürzungen im sozialen Bereich vermieden werden. Geld sei genug da. "Deutschland hat keine Feinde.“ Daher sei Abrüstung "dringend geboten."

Beim Ostermarsch Sachsen-Anhalt in Magdeburg sprach als Hauptredner Major Florian Pfaff. Dieser hatte sich im März 2003 geweigert, an der logistischen Unterstützung des US-geführten Angriffs auf den Irak mitzuwirken. Nach der Einlieferung in ein Bundeswehrkrankenhaus zur psychiatrischen Untersuchung, wurde Pfaff mit Gefängnis bedroht und degradiert. Dagegen legte er Berufung ein und wurde im Jahre 2005 durch das Bundesverwaltungsgericht rehabilitiert. Bei seiner Rede in Magdeburg stellte Pfaff seine persönlichen Erlebnisse und seine persönliche Sichtweise dar. Als Bundeswehrangehöriger beanspruchte er, dem eigenen Gewissen verantwortlich zu sein und sich daher der neuen von "Rot-Grün" begonnenen und bis heute unter "Schwarz-Gelb" fortgesetzten Kriegspolitik zu verweigern. Pfaff stützt sich dabei auf eine durchaus plausible Interpretation des Grundgesetzes, wonach Angriffskriege illegal sind. Deutlich verurteilte Pfaff auch das von dem deutschen Oberst Klein zu verantwortende Bombardement am 4. September 2009 im afghanischen Kundus, bei dem eine große Zahl an ZivilistInnen getötet wurde. Die Opfern seien keineswegs versehentlich getötet worden wie laut Pfaff aus den Protokollen des Untersuchungsausschusses des Bundestages hervorgeht.

In etlichen Städten trugen DemonstrantInnen Transparente und Plakate mit der Aufschrift "Grass hat recht!" Der Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger Günter Grass hatte mit einem in der vergangenen Woche in mehreren Zeitungen veröffentlichten Text zum israelisch-iranischen Konflikt Aufsehen erregt. In den Mainstream-Medien und von VertreterInnen einiger jüdischer Organisationen wurde Grass scharf angegriffen und zugleich des Antisemitismus angeklagt (Siehe hierzu auch unser Kommentar vom 5.04.12). Es ist gar von einem gegen Grass gerichteten Einreiseverbot der israelischen Regierung die Rede. Das 'Netzwerk Friedenskooperative' wertete ein solches Einreiseverbot als wenig souverän. Damit werde jede Möglichkeit ausgeschlossen, daß sich Grass etwa von Universitäten organisierten Streitgesprächen in Israel stellen könne. Viele RednerInnen bei den Ostermärschen stimmten Grass zu, daß es kein Recht auf einen militärischen Präventivschlag gebe. Kritik gab es allerdings an seiner spekulativen These, die israelische Regierung könne hierbei Atomwaffen einsetzen und das "iranische Volk auslöschen".

Auch beim Ostermarsch in Frankfurt a.M. kam die Rede auf Grass. Thomas Schwoerer von der 'Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen' erklärte, Günter Grass mit seinem Gedicht einen wichtigen Beitrag zum Antikriegs-Diskurs beigetragen. "Grass hat recht," sagt Schwoerer nachdrücklich. "Und ich bin sicher nicht der einzige hier, der angenervt ist von den billigen Angriffen auf ihn."

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Günter Grass löst Sturm der Entrüstung aus
      Hat Grass recht? Ist Grass antisemitisch? (6.04.12)

      Deutsches U-Boot für israelisches Militär
      Atomwaffen-fähig (20.03.12)

      Iranisches Regime spielt mit dem Feuer
      Kriegsschiffe im Mittelmeer (18.02.12)

      Ostermarsch in vielen Städten
      Protest gegen Atomenergie und Atombombe (23.04.11)

      50 Jahre Ostermarsch
      Gegen Atomwaffen und für Abzug aus Afghanistan
      (3.04.10)

      Kundus-Massaker:
      Organisation 85 versucht zu vernebeln (19.03.10)

      Kundus-Massaker: Die Lügen des Oberst Klein
      Wie lange kann sich zu Guttenberg noch halten?
      (17.01.10)

      Kundus-Massaker: Weiteres Material sickert durch
      Oberst Klein wollte 4 Taliban-Anführer "vernichten"
      (13.12.09)

      Kundus-Massaker: Killertruppe KSK beteiligt
      Guttenberg trägt nichts zur Aufklärung bei (10.12.09)

      Kundus-Massaker: US-Bomberpiloten fragten 5 mal
      wegen Tiefflügen
      Oberst Klein behauptete "Feindberührung" (6.12.09)

      Kundus-Massaker: Jung zurückgetreten
      - Aufklärung gestoppt? (28.11.09)

      Wird das Bundeswehr-Massaker von Kundus
      jetzt aufgeklärt?
      Der Generalinspekteur der Bundeswehr
      und ein Staatssekretär traten heute zurück (26.11.09)

      Massaker in Afghanistan?
      Regelverletzung bei Bombardierung? (10.09.09)

      Afghanistan-Krieg: ZivilistInnen getötet
      bei Bombardierung zweier Tanklaster? (7.09.09)

      "Bewegung am Boden"?
      Die Friedensbewegung nach dem NATO-Gipfel (5.04.09)

      60.000 beim Ostermarsch
      Protest gegen fortgesetzte Kriege
      und gegen Unterdrückung in Tibet (24.03.08)

      Baden-württembergischer Ostermarsch in Stuttgart
      "Vernunft muß her statt Militär!" (23.03.08)

      Demonstration gegen Bombodrom am Neujahrstag
      Bundeswehr will Bombenabwurf üben (1.01.08)

      Ostermärsche setzen Zeichen gegen Tornado-Einsatz
      (8.04.07)

      Zehnausende bei Ostermärschen der Friedensbewegung
      (16.04.06)