8.03.2010

Scheinwahl im Irak

"... von einer korrupten Regierung ausgeplündert"

US-Besatzungssoldat im Irak Bagdad (LiZ). Viele Menschen hatten sich einem Boykott der von der US-Besatzung veranstalteten Scheinwahl im Irak ange- schlossen. Selbst nach offiziellen Verlautbarungen lag die Wahl- beteiligung nur wenig über 50 Prozent. Militante Aufständische hatten bei blutigen Anschlägen gegen die Inszenierung einer demokratischen Wahl Dutzende von Menschen ermordet. Der gewaltfreie Widerstand war in sich gespalten. Sowohl nationalistische als auch kapitalismusorientierte Gruppen hatten zur Beteiligung an der Wahl aufgerufen. Besonders viel Verdruß hatte die offensichtliche Benachteiligung des sunnitischen Bevölkerungsteils ausgelöst. Unter nicht selten absurden Verdächtigungen, der Baath-Partei angehört zu haben, wurden viele Menschen sunnitischen Glaubens als KandidatInnen ausgeschlossen.

Nach Angaben der Vereinten Nationen werden die Stimmzettel "zur Vermeidung von Irrtümern" zweimal gezählt. Die ersten vorläufigen Ergebnisse werden am Mittwoch erwartet. Die Wahlbeteiligung lag nach Schätzungen Besatzungs-orientierter Medien zwischen 50 und 65 Prozent. Insgesamt waren 18,9 Millionen IrakerInnen aufgerufen, die 325 Sitze im Parlament zu bestimmen. Rund 6.291 KandidatInnen standen zur Wahl.

Der Vorsitzende der von der US-Besatzung bestimmten Wahlkommission, Farradsch al-Haidari, erklärte am gestrigen Sonntagabend sinniger Weise, es gebe noch keine "richtigen Zahlen". Unabhängige irakische BeobachterInnen erwarten eine knappe Mehrheit der "Rechtsstaat-Koalition" von Ministerpräsident Nuri al-Maliki vor der Schiiten-Allianz unter Führung von Ammar al-Hakim und Muktada al-Sadr. Die Al-Irakija-Liste von Ex- Regierungschef Ijad Allawi werde weit abgeschlagen auf dem dritten Platz landen. Der schiitische Vizepräsident Adel Abdul Mahdi scheint jedoch bereits zu wissen, daß die US-Besatzung auch bei einer Mehrheit keine schiitische (Marionetten-)Regierung dulden wird und orakelte: "Es wird wahrscheinlich keinen echten Sieger geben, sondern eine gemeinsame Regierung der Nationalen Einheit."

US-Präsident Barack Obama gratulierte den Irakern zur Parlamentswahl und sprach erneut davon, am "Zeitplan für den Abzug der US-Truppen" festhalten zu wollen. Nach wie vor deutet jedoch nichts darauf, daß die US-Regierung den Zugriff auf eines der ölreichten Länder der Erde aufgeben wird. Es handelte sich um die nunmehr zweite Scheinwahl, die von der US-Besatzung im Irak seit der Invasion am 20. März 2003 und dem Sturz des ursprünglich von den USA installierten Diktators Saddam Hussein veranstaltet wurde, um so dem Marionetten-Regime einen Anschein von Legitimität zu verleihen. Laut unabhängigen BeobachterInnen haben sich ebenso wie bei der Scheinwahl im Januar 2005 weniger als ein Viertel der Wahlberechtigten in die Wahllokale begeben.

Die Anschläge militanter Aufständischer konzentrierten sich auf den Großraum Bagdad und die Provinz Ninive. Mehrere Stadtteile Bagdads wurden offensichtlich ungezielt mit einer Vielzahl von Granaten beschosen. Mindestens 38 Menschen starben, 110 wurden verletzt. Zwölf Menschen, darunter vier Kinder, seien beim Einsturz eines Wohngebäudes in Bagdad umgekommen, der durch eine Explosion verursacht wurde, teilte die irakische Marionetten-Regierung mit. Im kurdischen Norden und im schiitischen Süden des Landes gab es gewaltfreie Aktionen gegen die Wahl-Farce. Die gesamten Sicherheitskräfte des Landes - rund eine halbe Million Personen - waren am Sonntag im Einsatz, um die Scheinwahl zu sichern. Alle Landesgrenzen und der internationale Flughafen von Bagdad waren vorsorglich geschlossen worden.

Immer offener lehnt es eine große Mehrheit der irakischen Bevölkerung ab, sich an der Scheinwahl zu beteiligen. Viele stellen keine Überlegungen an, ob es sich um demokratische Wahlen handelt oder nicht, sondern stellen schlicht und einfach fest: "Die Regierung ist korrupt, sie bestehlen uns." Auch die seit nunmehr sieben Jahren unverändert katastrophale Situation für die einfache Bevölkerung läßt keine Illusionen über die US-amerikanische Verheißung von "freedom and democracy" aufkommen: "Wir haben keinen Strom, kein sauberes Trinkwasser und das Öl unter unseren Häusern stehlen sie uns."

 

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