5.08.2010


Todesstoß Erdöl-Förderung?

Mittelmeer-Delphin Rhode Island (LiZ). Nicht nur die Ostsee ist am Sterben. Auch das Leben im Mittelmeer ist massiv bedroht. WissenschaftlerInnen des 'Census of Marine Life' (CML) zeigen in einem aktuellen Beitrag für die Zeitschrift 'PloS ONE' auf, daß das Mittelmeer stärker noch als andere Meere gefährdet ist. Es ist die bislang umfangreichste Analyse über die Bedrohung der Artenvielfalt in den Weltmeeren.

"Stärker als alle anderen Meere leidet das Mittelmeer an Lebensraumverlust, Überfischung, Umweltverschmutzung und invasiven Arten", erklärte Ron O'Dor, US-Koordinator des CML. Im Mittelmeer besteht mit 16.845 erfaßten Arten noch eine vergleichsweise hohe Artenvielfalt. Noch ist beispielsweise der Blaufossen-Thunfisch nicht ausgerottet. (Siehe hierzu unseren Bericht v. 10.06.10) Die ursprüngliche Artenvielfalt ist nicht allein ein kostbares Naturerbe, das es - ähnlich wie das kulturelle Erbe - zu schützen gilt, auch das Überleben der Menschheit ist an den Fortbestand der globalen Ökosysteme gekettet. Große Teile der Erde sind bislang weniger erforscht als der Mond. ForscherInnen schätzen, daß rund 75 Prozent der Tiefseearten noch immer unbekannt sind. Sie befürchten, daß viele Lebewesen noch vor ihrer Entdeckung ausgerottet werden.

Düster bewerten die WissenschaftlerInnen die derzeitige Situation insbesondere im Mittelmeer, in dem viele Probleme zugleich zu beobachten sind. Neben bekannten Gefahren wie dem unlängst von BP verkündeten Start neuer Offshore-Ölbohrungen vor der libyschen Küste (siehe hierzu unseren Bericht v. 22.07.10) sind auch weniger bekannte Gefahren sehr bedrohlich. Akut ist etwa die Gefahr der invasiver Arten - sogenannter Nezooen - , die einheimischen Tieren und Pflanzen den Lebensraum nehmen. "637 Arten oder vier Prozent aller Lebewesen im Mittelmeer sind Invasoren. Das ist mehr als dreimal soviel als im europäischen Atlantik, in dem es die zweitmeisten invasiven Arten gibt", erklärt Ron O'Dor. Besonders Mollusken, Krustentiere und Fische werden mit Tankern etwa über den Suez-Kanal eingeschleppt und bringen bestehende Ökosysteme aus dem Gleichgewicht.

Die Fischerei der mit Hilfe von EU-Subventionen überdimensionierten Fangflotten ist längst nicht mehr nachhaltig. Selbst der Mittelmeer-Delphin ist mittlerweile von der Ausrottung bedroht, da ihm die Nahrungsgrundlage entzogen wird. In puncto Umweltverschmutzung nimmt das Mittelmeer innerhalb der 25 untersuchten Meere einen unrühmlichen dritten Platz hinter dem Chinesischen Meer und dem Golf von Mexiko ein. Ursächlich ist hierfür vor allem die dichte Besiedlung der Anrainerküsten sowie die 200 Millionen TouristInnen, die pro Jahr ans Mittelmeer kommen. Pestizide und Ausschwemmungen der chemischen Düngemittel aus der Landwirtschaft sowie industrielle Chemieabfälle sind ein weiteres Problem. Sie schädigen die Wasserqualität, zerstören Ökosysteme wie Seegraswiesen und Korallenriffe und führen in manchen Regionen wie etwa der Adria zu Sauerstoffmangel sowie zur giftigen Algenblüte.

Den größten Schaden jedoch richtet nach Ansicht der ForscherInnen die Überfischung im Mittelmeer an.Das bekannteste Beispiel dafür ist der atlantische Blauflossen-Thunfisch, der im Mittelmeer laicht. Nachdem dieser Raubfisch in Europa beinahe ausgerottet ist, breiten sich etwa Quallen explosionsartig aus und schädigen damit bestehende Nahrungsketten, aber auch den Tourismus.

Die Gefahren wachsen zudem mit dem ungebremsten Klimawandel, der nicht nur steigende Wassertemperaturen, sondern zugleich eine zunehmende Versuerung des Wassers der Weltmeere mit sich bringt. Tiere und Pflanzen, die kalte und tiefe Wasserschichten bevorzugen, hindert die natürliche Begrenzung des Mittelmeers, weiter nach Norden auszuweichen. "Das kann tödlich enden", so O'Dor.

Die WissenschaftlerInnen mahnen drastische Anstrengungen im Artenschutz an. Diese sind jedoch von der Parteienpolitik nicht zu erwarten, wie einmal mehr der unrühmliche Verlauf der Artenschutz-Konferenz in Doha im März dieses Jahres offengelegt hat. (Siehe hierzu unseren Bericht v. 18.03.10) Eine Wende kann nur durch ein verstärktes persönliches Engagement der BürgerInnen erreicht werden.

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Golf von Mexiko - BP versiegelt Öl-Bohrloch
      Auswirkungen der Ölpest noch mindestens 10 Jahre
      (4.08.10)

      Die Ostsee stirbt
      Mord per Ackerbau und Viehzucht (27.07.10)

      BP lernresistent
      Offshore-Ölbohrung im Mittelmeer geplant (22.07.10)

      Wale und Delphine leiden
      unter zunehmendem Lärm (8.07.10)

      IWC schreibt Status Quo fort
      Weiterhin illegaler Walfang (24.06.10)

      Korruptions-Skandal bei der Walfangtagung
      IWC-Vorsitzender unter Bestechungsverdacht (21.06.10)

      Rettung für Wale?
      Bundestag beschließt Ausstiegs-Szenario (10.06.10)

      EU greift zur Notbremse
      Aufschub für den Blauflossen-Thunfisch (10.06.10)

      Kampf gegen Thunfisch-Vernichtung im Mittelmeer
      Greenpeace-Aktivist durch Harpune schwer verletzt
      (5.06.10)

      Greenpeace-Protest in Rotterdam
      Walfleisch für Japan (2.04.10)

      Artenschutzkonferenz zündet nächste Stufe
      zur Zerstörung der Lebensgrundlagen (18.03.10)

      Fatale Zusagen an Walfänger geplant
      Antarktis-Schutzgebiet in Gefahr (28.02.10)

      Walfang in der Antarktis
      Japanisches Schiff rammt Tierschützer-Boot (6.01.10)

      Druck auf die japanische Regierung:
      Allianz fordert Verkaufs-Verbot
      von Wal- und Delphinfleisch (24.11.09)

      Öl-Katastrophe vor Australien
      Artenreiche Meeresregion bedroht (23.10.09)

      Delphin-Jagd in Japan unter Druck
      Film 'Die Bucht' zeigt Wirkung (19.10.09)

      Plastik-Reste bedrohen die Weltmeere
      Riesige schwimmende Müllhalden (22.08.09)

      1.500 Wale im Jahr 2008 getötet
      Japan erkauft Zustimmung (21.06.09)

      Am Fehmarnbelt droht ein Milliardengrab
      Gefahr für Zugvögel und Schweinswale (5.05.09)

      Plünderung der Ozeane unvermindert
      Kein Stop vor dem endgültigen Aus? (2.03.09)

      Hunderte Wale bei Australien gestrandet
      Ist Militär-Sonar die Ursache? (2.03.09)

      Die Ostsee stirbt
      Immer weniger Schweinswale (28.01.09)