12.01.2010

Hartz-IV-Bescheide
36 Prozent aller Widersprüche erfolgreich

Schröder und Hartz bei der Verkündung Mainz (LiZ). Wie das TV-Magazin 'Report' gestern, Montag, in seiner aktuellen Ausgabe feststellte, ist der Fehler bei der "Bundesagentur für Arbeit" Programm. 267.612 Hartz-IV- Bescheide mußten im Jahr 2009 - nachdem die Betroffenen Widerspruch eingelegt hatten - korrigiert werden. Dies entspricht 36,4 Prozent der in den ersten elf Monaten des Jahres 2009 angestrengten 735.200 Widerspruchs- Verfahren. Kaum einzuschätzen ist die Zahl fehlerhafter Hartz-IV-Bescheide, die von den Betroffenen wegen rechtlicher Unkenntnis oder wegen Resignation ohne Widerspruch hingenommen wurden.

Mittlerweile wird von PolitikerInnen sämtlicher Couleur eine öffentliche Debatte über "Korrekturen" an Hartz IV inszeniert. Außen vor bleibt dabei jedoch der Hauptzweck der mit den "Arbeitsmarktreformen", die zum 1. Januar 2005 von "Rot-Grün" eingeführt wurden: Der Niederiglohn-Sektor wurde massiv ausgeweitet. Zum einen wurde dieser "Erfolg", von dem nur ungerne geredet wird, durch die Repression gegen Arbeitslose erzielt, die so gezwungen werden, jeden noch so schlecht bezahlten Job anzunehmen. Zum anderen, durch das Instrument der "Kombi-Lohn-Modells", das zur verdeckten staatlichen Subventionierung der Niedriglöhne dient.

Die "Bundesagentur für Arbeit" mußte den Bericht des ARD-Magazins 'Report Mainz' mittlerweile bestätigen. Danach wurde in 36,4 Prozent aller Fälle den Widersprüchen gegen Hartz-IV-Bescheide ganz oder teilweise stattgegeben. Wie eine Sprecherin der Bundesagentur sagte, konnten von Januar bis einschließlich November 2009 insgesamt 766.700 Widersprüche "erledigt" werden. Die Bearbeitung der Widersprüche dauerte nach offiziellen Angaben im Schnitt knapp drei Monate. Wie vielen der Widersprüche auf dem nicht selten beschrittenen Klageweg Erfolg beschieden sein wird, ist noch kaum zu prognostizieren. Doch auch hier hat sich in der Vergangenheit gezeigt, daß die Erfolgsaussichten relativ hoch zu veranschlagen sind.

Erfolgsaussichten werden auch einer derzeit anhängigen Klage gegen den Hartz-IV-Satz für Kinder, der monatlich 251 Euro beträgt, beim Bundesverfassungsgericht eingeräumt. Auch nach Einschätzung der Sozialverbände reicht dieser Betrag nicht einmal für das Notwendigste, geschweige denn für Schulbücher und Schreibhefte.

Das zuständige Vorstandsmitglied der "Bundesagentur für Arbeit", Heinrich Alt, führte die große Zahl falscher Bescheide im Gespräch mit 'Report' auf die schwierige Personalsituation in den für die Betreuung von Langzeitarbeitslosen zuständigen Arbeitsgemeinschaften (ARGEn) zurück: "Wir haben erhebliche Qualifikationsdefizite, die noch verschärft werden durch eine hohe Personalfluktuation in unseren Arbeitsgemeinschaften." Dies ist jedoch durch die mangelhafte finanzielle Ausstattung verursacht und darf als politisch gewollt angesehen werden. GeschäftsführerInnen von ARGEn und "Jobcentern" beklagten, daß sie über zu wenig ausgebildetes Personal für das Ausstellen der Bescheide verfügten. Aus- und Fortbildung sei nicht im erforderlichen Umfang vorgesehen und bei der täglichen Arbeitsbelastung kaum möglich. Viele MitarbeiterInnen der Hartz-IV-Behörden waren nach Informationen von 'Report' zuvor bei Friedhofs- oder Gartenbauämtern beschäftigt, bei der Telekom oder als Hausmeister.

 

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