25.06.2010

Frankreich:
1,92 Millionen
bei Demos gegen Sozialabbau

Demo Frankreich Juni 2010 Paris (LiZ). Streiks und Demons- trationen legten das öffentliche Leben in ganz Frankreich lahm. Nach Angaben der französischer Tageszeitung 'Liberation' nahmen 1,92 Millionen Menschen an den Demonstrationen in Paris, Marseille und Lille gegen den von Präsident Nicolas Sarkozy geplanten Sozialabbau teil. Bei den Protesten, die sich insbesondere gegen die Heraufsetzung des Rentenalters von 60 auf 62 Jahre richten, gingen knapp doppelt so viele Menschen auf die Straßen wie beim vorherigen Protesttag am 27. Mai.

Nach Angaben der Bahngewerkschaft streikte rund 40 Prozent des Personals. Der Bahn- und Flugverkehr wurde im gesamten Land stark beeinträchtigt: Etwa jeder zweite Hochgeschwindigkeitszug TGV und jeder vierte Regionalzug fielen aus. Anders als zuvor war auch der Bahnverkehr nach Deutschland betroffen. In Paris und 65 anderen Städten kam zudem der Nahverkehr nahezu völlig zum Erliegen. Auch Schulen, Kindergärten und Behörden, Radio- und TV-Sender wurden bestreikt. LehrerInnen und BeamtInnen beteiligten sich in großer Zahl. In vielen Großbetrieben ruhte die Arbeit.

In Frankreich wird darüber diskutiert, welche Ursache das Defizit in der Rentenkasse hat. Der Zusammenhang mit der Weltwirtschaftskrise kann nicht länger totgeschwiegen werden. Die große Resonanz auf die Protestaufrufe ist darauf zurückzuführen, daß immer mehr Menschen nicht bereit sind, es hinzunehmen, daß die unteren Schichten die Folgen der Krise tragen sollen. Es hatten sich sechs der acht großen französischen Gewerkschaften am Aufruf beteiligt. Nach einer Umfrage für die regierungsnahen Pariser Zeitung 'Le Figaro' akzeptieren allerdings immer noch 58 Prozent der französischen Bevölkerung die Erhöhung des Rentenalters. Die Regierung hat mehrfach betont, daß sie den Konflikt durchstehen wolle, weil die Sozialkassen anders nicht zu sanieren seien. Die gleichzeitige Ankündigung Sarkozys, den Sozialabbau mit einer Reichensteuer zu garnieren, scheint aber immer mehr Menschen geradezu auf die soziale Schieflage aufmerksam zu machen.

Bei vergleichbaren Protesten in Deutschland nahmen am 12. Juni insgesamt nur rund 42.000 Menschen teil. Im März des Vorjahres hatten in Frankfurt und Berlin noch rund 50.000 Menschen demonstriert. Die Kritik von linker Seite sieht die Ursache hierfür in dem verhaltenen Agieren der deutschen Gewerkschaften, die im Gegensatz zu den französischen nicht einmal wagen, mit dem Generalstreik zu drohen.

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Proteste gegen Sozialabbau
      "Wir sind alle GriechInnen" (13.06.10)

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      DGB-Chef Sommer: Nicht Jahr eins,
      sondern Jahr drei der Krise
      Generalstreik bleibt Tabu (1.05.10)

      Kosten des Gesundheitssystems wachsen
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      Kein Aprilscherz:
      BRD-Verschuldung bei 1690 Milliarden Euro (1.04.10)

      BA-Chef Alt plant weiteren Sozialabbau:
      Erhöhter Druck durch Wohnkostenpauschale (25.03.10)

      Rente wird gekürzt
      "Nullrunde" heißt Minus (16.03.10)

      Offizielle Parteispenden über 20 Millionen Euro
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      Herbe Niederlage für "Schwarz-Rot-Gelb-Grün" (9.02.10)

      DIW-Studie zum Vermögen in Deutschland
      Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich weiter
      (19.01.10)

      Hartz-IV-Bescheide
      36 Prozent aller Widersprüche erfolgreich (12.01.10)

      Bilanz von fünf Jahren Hartz IV
      Repression als "Arbeitsmarkt-Reform" (19.12.09)

      'stern'-Umfrage:
      Deutsche halten Hartz IV für zu niedrig (28.10.09)

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      bei den Reallöhne seit vielen Jahren (14.08.09)

      Nur in der Telefon-Zelle kommt das Zahlen
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      Was nach der Bundestagswahl
      an weiterem Sozialabbau droht (23.07.09)

      BRD ruiniert
      86 Milliarden Euro Neu-Schulden nicht rückzahlbar
      (19.06.09)

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      Motto von unfreiwilliger Komik (29.03.09)