15.11.2019

Das Küken-Schreddern geht weiter
"Schwarz-Rot" bricht Versprechungen

Küken-Schreddern - Grafik: Samy - Creative-Commons-Lizenz Namensnennung Nicht-Kommerziell 3.0
Berlin (LiZ). Nach wie vor werden Jahr für Jahr in Deutschland aus Profitgründen fast 50 Millionen Hühnerküken geschreddert oder vergast. Im Januar 2017 hatte sogar der damalige "schwarze" Bundes­landwirtschaftsminister Christian Schmidt das Küken-Schreddern als "ethisch und moralisch inakzeptable Praxis" bezeichnet. Und im Koalitions-Vertrag vom 7. Februar 2018 hatte "Schwarz-Rot" vereinbart, das Küken-Schreddern bis 2019 zu beenden...

Doch ein Lobby-Papier der Geflügel-Industrie beweist: Das Küken-Schreddern soll weitergehen. Der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG) bietet Bundes­landwirtschaftsministerin Julia Klöckner lediglich an, die Zahl der getöteten Küken innerhalb von drei Jahren zu halbieren. Und die Ministerin verhandelt - entgegen dem Koalitionsvertrag - über einen Kompromiss.

Die Schweiz ist Deutschland in Hinblick auf Tierschutz voraus: Im März 2019 hat der Schweizer Nationalrat für ein Verbot des Zerschredderns von lebendigen Küken gestimmt. Der Ständerat (vergleichbar mit dem Deutschen Bundesrat) stimmte im September 2019 für das Verbot. Damit wurde ein Anliegen aus einer Petition der Veganen Gesellschaft Schweiz aufgenommen.

Selbst "das Ziel" von 50 Prozent wird vom ZDG lediglich als unverbindliche "freiwillige Selbstverpflichtung" betrachtet. Die Erfahrung der vergangenen Jahrzehnte mit "freiwillige Selbstverpflichtungen" der Industrie zeigen jedoch, daß diese in aller Regel nicht eingehalten werden.

Dabei hatte das Bundesverwaltungsgericht am 13. Juni 2019 geurteilt, daß das massenhafte Töten von Küken nicht mit dem Grundsatz des Tierschutzes vereinbar ist und nur "übergangsweise" fortgesetzt werden darf. Klöckner und der ZDG spielen offenbar auf Zeit, weil sie auf eine technologische Lösung setzen. Bereits im Ei soll das Geschlecht festgestellt werden und die männlichen Küken in Zukunft vor dem Ausschlüpfen getötet werden.

Die VerbraucherInnenschutz-Organisation 'foodwatch' kritisiert, daß eine solche technologische Lösung am Grundproblem nichts ändern werde. Erst seit den 1950er-Jahren wurden in der Geflügelzucht zwei Zuchtlinien getrennt, die Zuchtlinie der Legehühner und die der Masthühner. Legehühner sind darauf gezüchtet, möglichst viele Eier auszustoßen. Sie können in einem Jahr bis zu 320 Eier "produzieren" und benötigen für ein Kilogramm an Eiern nur zwei Kilogramm Futter. Alte Rassehühner benötigen dagegen vier bis fünf Kilogramm Futter. Masthühner sind hingegen auf maximale Gewichtszunahme gezüchtet. In industrieller Massenhaltung sind sie nach knapp einem Monat schlachtreif. Die Küken-"Produktion" wird heute in Deutschland fast ausschließlich von wenigen Großunternehmen betrieben.

'foodwatch' kritisiert, daß heutige Legehennen durch die verwendeten Zuchtmethoden genetisch massiv vorbelastet sind: Die Sterblichkeitsrate ist deutlich erhöht und sie sind stark anfällig für Knochenbrüche, Brustbeinschäden und Infektionskrankheiten. Letzteres hat wiederum den massiven Einsatz von Antibiotika zur Folge. TierschützerInnen fordern daher ein Ende der einseitigen Hochleistungs-Zucht. Sogenannte Zweinutzungs-Hühner, die sowohl Eier legen wie auch Fleisch liefern sollen, wären eine Alternative. Auch traditionelle Rassen wurden in den vergangenen fünf Jahrzehnten immer mehr zurückgedrängt und finden sich nur noch in Nischen in der Landwirtschaft. Zweinutzungs-Hühner gelten in der auf Profitmaximierung ausgerichteten industriellen Landwirtschaft als "nicht mehr wirtschaftlich einsetzbar".

Wann die technologische Methode zur Selektion der Eier aus Sicht der Geflügel-Industrie "wirtschaftlich" funktioniert, ist offen. Sie wird schon seit Jahren angekündigt. Gleichzeitig bekommen Hühner, Rinder und Schweine in den Ställen der industriellen Landwirtschaft vom grundgesetzlich garantierten Tierschutz wenig mit. Die Praxis in der Legehennen-Fabrikation steht exemplarisch für eine aus dem Ruder gelaufene industrielle Landwirtschaft, in der die Profitmaximierung diktiert, wie die Fabrikation von Nahrungsmitteln aus lebendigen Tieren abzulaufen hat. Die Küken, die ja auch ohne Geburtstags-Vergasung keines natürlichen Todes sterben würden, sind nur ein Symbol dafür, daß eine Agrar-Wende hin zur Bio-Landwirtschaft dringend nötig ist. Sie ist ebenso existentiell entscheidend für das Überleben dieses Planeten wie die Energie-Wende.

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

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      Bislang: 180.000 tote Pelztiere pro Jahr (15.01.18)

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      50 Millionen pro Jahr (12.01.18)

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      Grund: Zunahme riesiger Maisfelder (17.10.14)

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      Esoterik tötet Pangolin
      In Asien schon fast ausgerottet (5.08.14)

      Greenpeace kritisiert Fischanbieter 'Deutsche See'
      wegen Verbindung zu Walfang-Industrie (2.08.14)

      Industrielle Landwirtschaft tötet
      Fischsterben in der Elbe (24.07.14)

      Warnung vor Gentech-Landwirtschaft
      wegen steigendem Pestizideinsatz (26.06.14)

      Todeszonen der Ostsee weiten sich aus
      Bundesregierung untätig (17.06.14)

      Europas Flüsse stärker mit Chemie belastet
      als bislang angenommen (16.06.14)

      Afrika: Immer mehr Elefanten gewildert
      Mammut-Elfenbein muß geächtet werden (13.06.14)

      Industrielle Landwirtschaft treibt
      Klimakatastrophe voran (17.04.14)

      Bienensterben international
      Industrielle Landwirtschaft untergräbt Lebensgrundlagen
      (7.04.14)

      Wald-AIDS 2014
      Zustand schlechter - nicht besser (10.03.14)

      Pro Wildlife fordert von Bundesregierung
      Vernichtung der Elfenbein-Vorräte (28.02.14)

      Amphibienwanderung
      Erdkröten in Gefahr (19.02.14)

      Agrar-Wende - Erneuern sich
      die Pseudo-Grünen von unten? (27.01.14)

      Das Aussterben der Bienen kann
      plötzlich und ohne Vorwarnung kommen (6.01.14)

      Honig darf verunreinigt werden
      Bundesverwaltungsgericht läßt Gen-Kontamination zu
      (25.10.13)

      Nitrat-Belastung im deutschen Grundwasser
      verschlechtert sich dramatisch (19.10.13)

      Flächenfraß
      Täglich 74 Hektar mehr Siedlungs- und Verkehrsfläche
      (13.10.13)

      Agrar-Subventionen
      BUND fordert Neuausrichtung (28.08.13)

      Jugend mag Bio
      23 Prozent kaufen häufig Bio-Lebensmittel (20.08.13)

      VGH-Urteil: Natürliches Mineralwasser
      darf Pestizide enthalten (2.08.13)

      Chemie in Obst und Gemüse
      Nur Bio-Lebensmittel unbelastet (17.06.13)

      Phosphat-Dünger
      Industrielle Landwirtschaft ohne Zukunft (7.05.13)

      Bio-Lebensmittel: Die Produktion in Deutschland
      hinkt der Nachfrage hinterher (6.05.13)

      Bienen und Wildinsekten sind überlebenswichtig
      Industrielle Landwirtschaft ohne Zukunft (27.02.13)

      Dem deutschen Wald geht es schlechter
      als in den 1980er-Jahren (4.02.13)

      Pestizide vernichten Amphibien
      Umweltbundesamt fordert Beschränkungen (1.02.13)

      Demo in Berlin für Agrar-Wende
      25.000 erklären: "Wir haben es satt" (19.01.13)

      Umweltverbände: Aigners Pestizid-Aktionsplan
      ist "mangelhaft" (25.10.12)

      EU-Kommission versucht Gen-Honig
      durch die Hintertür einzuschmuggeln (24.10.12)

      Bio-Lebensmittel
      - nur ein Mythos? (4.09.12)

      Flächenfraß weiter lebensgefährlich
      BUND fordert Biotopverbund (17.07.12)

      Bio-Landwirtschaft
      Volkswirtschaftlich kostengünstiger (30.04.12)

      Artenvernichtung
      Osterhase gefährdet? (4.04.12)

      Greenpeace deckt auf
      Pestizide in Obst und Gemüse (26.03.12)

      Wald-AIDS greift um sich
      Zustand der Buchen auf historischem Tiefpunkt (2.02.12)

      Gartenrotschwanz bald ausgerottet
      Vogel des Jahres 2011 (9.10.11)

      Merkel degradiert Wald zum Rohstofflieferanten
      Wald-AIDS in den Medien nahezu vergessen (21.09.11)

      Giftige Grünalgen an der bretonischen Küste
      Sarkozy: "Industrielle Landwirtschaft unschuldig"
      (29.07.11)

      Neu im Supermarkt:
      Pestizid-Cocktail mit Johannisbeeren
      Nur Bioläden stehen abseits (27.07.11)

      Uran im Trinkwasser
      foodwatch kritisiert neuen Grenzwert (29.11.10)

      Appell gegen Massentierhaltung
      Für eine Agrar-Wende (23.11.10)

      Die Ostsee stirbt
      Mord per Ackerbau und Viehzucht (27.07.10)

      Erfolg der Bio-Landwirtschaft
      mit Artenvielfalt statt Pestiziden (5.07.10)

      Greenpeace: Salate nach wie vor
      stark mit Pestiziden belastet (3.02.10)

      Bio-Landwirtschaft
      Option für Klimaschutz
      und Sicherung der Welternährung (26.01.10)

      Gentechnik erhöht Pestizidverbrauch in den USA
      US-Landwirtschaft benötigte 145.000 Tonnen mehr
      (18.11.09)

      Bundesregierung unterliegt:
      Liste der Agrar-Subventionen endlich öffentlich (9.06.09)

      Die Ostsee stirbt
      Immer weniger Schweinswale (28.01.09)

      Wald-AIDS auch in den USA
      Sterberate in 20 Jahren verdoppelt (24.01.09)

      Steigende Pestizidbelastung
      bei konventionellem Obst und Gemüse
      Politik fördert weiterhin einseitig
      agro-industrielle Landwirtschaft (24.07.08)

      Greenpeace prangert Chemie-Konzerne an
      Umweltgefahren durch Pestizide (16.06.08)

      Umweltverbrechen Mais-Anbau
      Nitrat und Pestizide verseuchen das Grundwasser
      (18.05.08)

      Bayer-Chemikalie Clothianidin gestoppt
      Zusammenhang mit Bienensterben
      nun doch nachgewiesen (17.05.08)

      Bayer-Chemikalie Clothianidin in toten Bienen
      Angeblich "kein klarer Zusammenhang" (9.05.08)

      Bio-Mandarinen deutliche besser
      Pestizid-Cocktail auf "normalen" Mandarinen (25.11.07)

      Die Ostsee stirbt
      Gabriel desinteressiert (15.11.07)

      Die Ostsee stirbt
      Deutschland schaut zu (28.09.07)

      Schmetterlinge in Deutschland
      80 Prozent vom Aussterben bedroht (13.04.05)

      Eisbär leidet unter Pestiziden (13.09.04)

      Paprika mit Pestiziden
      Greenpeace enthüllt fortlaufendes Versagen von Künast
      (2.07.04)

      Agrar-Wende
      Nichts als heiße Luft (24.01.04)

      Bio-Landbau wächst (24.11.03)

      Obst- und Gemüse
      aus dem Bio-Laden (21.09.03)

      Bienensterben
      und noch ein Insektizid (14.08.03)

      Apollofalter
      the scream of the butterfly (19.05.03)