27.02.2020

Gastbeitrag

Breisacher Trinkwasser
Salz, Nitrat und zweierlei Recht

Die Nichtanwendung des Verursacherprinzips

Wasser - Grafik: Samy - Creative-Commons-Lizenz Namensnennung Nicht-Kommerziell 3.0
Endlich ist es soweit. Noch im Februar 2020 wird Breisach endlich mit besserem Trinkwasser aus Hausen versorgt. Der enorm hohe Salzgehalt des Breisacher Trinkwassers und massive Folgeschäden hatten der Bau einer neuen, rund 7 Millionen Euro teuren Trinkwasserleitung von Opfingen nach Breisach nötig gemacht. "Oben" im Breisacher Grundwasser gibt es die hohen Nitratwerte und "unten" ist die verdünnte Salzfahne von den Zwischenlagerbecken der 'Mines de Potasse d'Alsace' auf der Fessenheimer Rheininsel angekommen.

Der neue Wasseranschluß zeigt, wie die massiven Grundwasserprobleme am Oberrhein immer nur scheinbar gelöst werden: Durch Verdünnen und Anschluß an die weniger werdenden, letzten guten Brunnen. Dennoch, das neue, bessere Wasser ist ein großer Fortschritt für die Menschen in Breisach - und gleichzeitig eine Niederlage in Sachen Gerechtigkeit.

Warum zahlen Land und BürgerInnen,
aber nicht die Verursacher des Problems?

Die Ursache und der Hauptverursacher der Breisacher Wasserprobleme sind bekannt. Auf der Fessenheimer Rheininsel sind in den Zwischenlagerbecken der 'Mines de Potasse d'Alsace' von 1957 bis 1976 eine Million Tonnen Salz (!) im Untergrund versickert und dort finden sich bis zu 50 Gramm (!) Salz in einem Liter Grundwasser.

Die verdünnte Spitze der Grundwasser-Versalzungs-Fahne ist längst in Breisach angekommen. Doch nicht die Verursacher tragen die Kosten für die bereits entstandenen massiven Schäden und für die Anschlußkosten, sondern die Menschen in Breisach und das Land Baden-Württemberg.

Wenn ein Autofahrer im Wald Öl abläßt und erwischt wird, wird er zu Recht bestraft. Er muß die Untersuchung des Bodens, die Bodensanierung, alle Folgekosten und eine Strafe zahlen. Doch dieses Prinzip wird allzu häufig nur bei kleinen Umweltsündern angewandt. Bei den 'Mines de Potasse d'Alsace' das Geld zu holen, ist zweifellos schwieriger als bei kleinen Umweltsündern. Doch diese Ungleichbehandlung darf nicht akzeptiert werden. Im Grundgesetz steht in Artikel 3: "Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich" und das muß auch für große, einflußreiche Umweltverschmutzer gelten. Eine solche Ungleichbehandlung widerspricht zutiefst meinem bürgerlichen Rechtsempfinden, sie ruft zu Recht Unverständnis und Verärgerung hervor.

In was für einem Rechtssystem leben wir, wenn es sich eine Gemeinde, das Land Baden-Württemberg und der Wasserversorger Badenova finanziell nicht leisten wollen, gegen einen bekannten Grundwasserverschmutzer anzugehen?

Was mich besonders ärgert, ist die Veränderung der Argumentation im Laufe der vergangenen Jahrzehnte. »Eine Klage bringt nichts und wäre auch nicht durchsetzbar«, wurde früher argumentiert. Heute heißt es: »Wir würden ja gerne klagen, aber jetzt ist es leider zu spät und was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein«.

Nach meiner Ansicht hatte es stets am politischen Willen gemangelt, eine sicher nicht einfache Klage anzugehen. Die 'Mines de Potasse d'Alsace' waren und sind ein halbstaatliches Unternehmen. Einem halbstaatlichen Unternehmen geht das Geld nicht aus.

In Breisach setzt sich ein Grundprinzip durch, das ich, nicht nur am Oberrhein, immer wieder erlebt habe:

  • Im Teninger Schuttloch, einem Baggersee, hatten die Firmen FRAKO und Tscheulin jahrzehntelang giftige Abfälle entsorgt. Die rund 7 Millionen Euro an Untersuchungs- und Sanierungskosten zahlten wir Steuerzahler.

  • In Menzenschwand im Schwarzwald wurde jahrzehntelang gewinnbringend Uranerz abgebaut. Die teuren Sanierungs­kosten trug die Allgemeinheit.

Nachtrag:
"Die Gerechtigkeit (und das Recht) sind wie ein Spinnennetz – die Kleinen hält es fest – die Großen zerreißen es einfach"
Nach einem alten lateinischen Zitat

 

Gastbeitrag von

Axel Mayer
(www.mitwelt.org)

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