9.08.2012

Riß im Reaktordruckbehälter
des belgischen AKW Doel

AKW Doel bei Antwerpen
Brüssel (LiZ). In einem stähler- nen Reaktordruckbehälter des belgischen AKW Doel wurde bei der jährlichen Routine-Über- prüfung ein rund zwei Zentimeter langer Riß entdeckt. Im Reaktor- druckbehälter eines Atomkraft- werks findet die kontrollierte Kettenreaktion statt, die zur Erhitzung von Wasser und damit indirekt zur Stromerzeugung genutzt wird. Eine "Reparatur" erscheint fraglich, zumal der niederländische Hersteller bereits 1983 pleite ging.

Die vier Druckwasser-Reaktoren des AKW Doel bei Antwerpen gingen in den Jahren 1974 bis 1985 in Betrieb und hätten entsprechend der ursprünglich vorgesehenen Betriebszeit von 25 Jahren zwischen 1999 und 2010 stillgelegt werden müssen. Auch in Belgien wurde seit 2003 - entsprechend den Gepflogenheiten mancher anderer Staaten wie Schweden, Deutschland und Spanien - ohne irgendwelche Konsequenzen mehrfach ein Atom-Ausstieg von Regierungsseite versprochen. Auf die aktuell genannten Jahreszahl-Angaben ist - wie in der Vergangenheit durch Verschieben dieser Angaben mehrfach bestätigt - keinerlei Verlaß.

Der Riß wurde in Reaktor 3 des AKW Doel entdeckt, der 1982 in Betrieb ging. Durch den Neutronenbeschuß aus dem Reaktorkern versprödet die Innenwand des Reaktordruckbehälters mit der Zeit immer schneller. Bekanntlich kann ein Reaktordruckbehälter nicht ausgetauscht werden. Und daß eine "Reparatur" eines Risses durch Überschweißen äußerst heikel ist, wurde im Zusammenhang mit dem Schweizer AKW Beznau im Juni publik (Siehe unseren Artikel vom 19.06.12)

Ein Reaktordruckbehälter des selben niederländischen Herstellers wurde nach derzeit vorliegenden Informationen auch im belgischen AKW Tihange bei Lüttich eingebaut. "Im schlimmsten Fall besteht das Risiko, dass Doel 3 und Tihange 2 für die Energieproduktion in Belgien verloren gehen," heißt es in einem internen Bericht der belgischen Nuklearsicherheitsbehörde AFCN. Der Betreiber Electrabel müsse nunmehr nachweisen, "daß die Anomalien kein Problem für die Unversehrtheit des Reaktors darstellen, in Situationen von normalem Druck genauso wie bei hohem Druck, der im Fall eines Unfalls eintreten würde."

Joelle Milquet, belgische Innenministerin und zugleich für die "Reaktorsicherheit" zuständig, erklärte wie kaum anders zu erwarten, es bestehe keine Gefahr. Sie versprach zudem, sie werde "extrem wachsam" bleiben und die weiteren Analysen verfolgen, die derzeit vorgenommen würden.

Nach Angaben der französischen Tageszeitung 'Le Monde' stimmt der Typ des Reaktors 3 des AKW Doel auch mit zwei Reaktoren in den Niederlanden, mit zwei weiteren in Deutschland, mit zwei in Spanien, mit einem in Schweden, mit zwei in der Schweiz sowie mit zehn weiteren Reaktoren in den USA und mit einem in Argentinien überein. Laut 'Südkurier' ist außerdem in dem internen AFCN-Bericht davon die Rede, daß der Druckbehälter des Reaktors 3 des belgischen AKW Doel "offenbar Fertigungsfehler" aufweist.

Da die Reaktordruckbehälter des Schweizer AKW Mühleberg sowie des AKW Leibstadt vom selben Hersteller stammen, hat das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) von der BKW FMB Energie AG Meß-Daten angefordert. Diese waren bei der Überprüfung mit einer Ultraschall-Messung erhoben worden. Die bisherigen Resultate deuten laut Informationen des 'Südkurier' auf "umfangreiche Materialfehler" des Druckbehälters hin. Die Analysen seien "noch nicht abgeschlossen". Sowohl das AKW Mühleberg als auch das AKW Leibstadt sind derzeit wegen einer Jahresrevision abgeschaltet.

Bereits auf der Grundlage der Anfang dieses Jahres vorliegenden Daten muß damit gerechnet werden, daß es weltweit in den kommenden zwei bis drei Jahren zu einem weiteren Super-GAU kommen wird (Siehe unseren Artikel vom 1.03.12). Wenn ein Atom-Ausstieg von den Regierungen trotz des mit dem Alter der Atomkraftwerke exponentiell ansteigenden Risikos weiterhin verzögert wird, hat dies ausschließlich ökonomische Gründe: Pro Jahr wirft ein Reaktorblock durchschnittlich 300 Millionen Euro an Profit ab.

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      General Electric: Atomenergie zu teuer
      Das Ende des Atomenergie-Zeitalters (30.07.12)

      Energie-Wende? Centrotherm insolvent
      "Schwarz-Gelb" zerschlägt deutsche Solar-Branche
      (12.07.12)

      Schweizer Uralt-AKW Beznau
      Riß im Reaktordeckel? (19.06.12)

      Greenpeace-Aktivist landet auf
      spanischem AKW Garoña (6.06.12)

      Atomkraftwerke
      Kernschmelz-Risiko unterschätzt (1.03.12)

      Obama subventioniert die Atom-Mafia
      Bau zweier Atom-Reaktoren angekündigt (9.02.12)

      Erneuerbare bei über 20 Prozent
      Energie-Wende dennoch gebremst (29.08.11)

      Marode Druckbehälter deutscher AKW
      Blockade von Untersuchungen (30.07.10)