9.04.2011

Ägypten:
Kein X für U
"Kein Tantawi für Mubarak"

General Mohammed Hussein Tantawi Kairo (LiZ). Der Widerstand gegen den bloßen Austausch des einen durch den anderen Diktator wächst. Das ägyptische Militär, das hinter dem Nachfolger des über 29 Jahre herrschenden und in einem kalten Militärputsch am 11. Februar abgesetzten Diktators Mubarak, General Mohammed Hussein Tantawi, steht, geht mittlerweile mit immer härterer Gewalt gegen die nach wie vor zahlreichen Demonstrationen und Streiks vor. Am Freitag waren Hunderttausende in Ägypten auf die Staßen gegangen.

Auch der Tahrir-Platz, das Symbol der von den internationalen Mainstream-Medien gefeierten ägyptischen "Revolution", die real noch gar nicht stattgefunden hat, ist wieder besetzt. In der Nacht zum Samstag hatte das Militär DemonstrantInnen gewaltsam vom Tahrir-Platz vertrieben. Nach Angaben von ÄrztInnen starben mindestens zwei Menschen, mehr als 70 wurden verletzt. Die Erklärung, die von den neuen Machthabern um General Tantawi veröffentlicht wurde, erinnert die ÄgypterInnen an ähnliche Worthülsen aus den Reden Mubaraks: "Kriminelle" seien am Werk, um die Menschen aufzuwiegeln. Diese hätten die Armee angegriffen. Es habe keine Toten gegeben, da die Soldaten keine scharfe Munition verwendet hätten. Doch eine große Zahl von AugenzeugInnen bekundet das Gegenteil. Selbst das ägyptische Gesundheitsministerium bestätigte versehentlich mindestens einen Toten.

Ein großer Teil der Protestbewegung trägt jedoch eine Mitschuld an den Toten und Verletzten. Allzu leichtgläubig waren viele auf die Beteuerungen der Militärs hereingefallen und hatten geglaubt, diese stünden auf Seiten der "Revolution". So hatte es an der nötigen Umsicht gefehlt und den Militärs wurde weitgehend freie Hand gelassen. Zudem hat der vermeintliche Erfolg der Demonstrationen, die angeblich allein den Sturz Mubaraks bewirkten, die Illusionen geweckt. So kündigten DemonstrantInnen an, solange auf dem Tahrir-Platz auszuharren, bis Diktator Tantawi zurücktritt.

Am gestrigen Freitag hatten Hunderttausende auf dem Tahrir-Platz gegen das Tantawi-Regime demonstriert: "Er war 29 Jahre lang Gefolgsmann von Mubarak und hat all dessen Verbrechen gedeckt," empören sich die Menschen, die sich nicht eine neue Diktatur als Demokratie verkaufen lassen wollen. Auch daß die juristische Aufarbeitung der Mubarak-Diktatur, die die Militärs versprochen hatten, immer neu verzögert wird, macht die Menschen wütend. Gegen Ex-Innenminister Habib el-Adly, der 13 Jahre lang die brutale Geheimpolizei beherrschte, wird zwar ermittelt, aber nur wegen Geldwäsche. Allerdings verbreiten die Militärs, auch ein Prozess gegen el-Adly wegen des Todes von Demonstranten werde vorbereitet. Doch Mubarak und viele seiner Getreuen mußten Ägypten nicht einmal verlassen und wissen offenbar, daß sie nichts zu befürchten haben.

Da sich dies immer mehr herumspricht, scheint die Militär-Junta hier ein wenig mit Propaganda gegenzusteuern: Generalstaatsanwalt Abdel Magid Mahmud kündigte an, den gestürzten "Präsidenten" und seine Söhne in Bälde zu Vorwürfen zu befragen. Möglicherweise sei Mubarak für tödliche Angriffe auf Demonstranten verantwortlich gewesen. Angekündigt wurde nun auch, Mubarak und sein Sohn Gamal müßten demnächst vor einem Ausschuß zur Untersuchung illegaler Einkünfte aussagen. Immerhin wurde der ehemalige "Ministerpräsident" unter Mubarak, Ahmed Nasif, festgenommen. Auch er soll wegen Korruptionsvorwürfen verhört werden.

In seinem ersten Auftritt seit seinem Sturz bestritt Mubarak, der sich in den Nobel-Kurort Scharm el-Scheich am südlichen Zipfel der Sinai-Halbinsel zurückgezogen hat, alle Korruptionsvorwürfe. Er besitze kein Geld auf ausländischen Konten, sagte er bei einem Interview mit dem TV-Sender Al-Arabija. Mubarak schwadronierte von "ungerechten Kampagnen" und "falschen Anschuldigungen", die seine Integrität infrage stellen sollten. Jedem, der versuche seinen Ruf zu schädigen, drohte er mit juristischen Schritten. Daß Mubarak zwei Monate nach seinem Sturz immer noch frei ist und solche Drohungen ausstoßen kann, löst selbst bei denen in Ägypten, die noch im Februar den Versprechungen der Militärs Glauben schenkten, Zweifel aus.

Während auf der einen Seite Teile des Militärs aus den unteren Rängen, die offenbar die Versprechungen ihrer Anführer, die "Revolution" zu unterstützen, geglaubt hatten, zu den DemonstrantInnen überliefen, zeigen sich auf der anderen Seite lautstark Kräfte unter den DemonstrantInnen, die vor dem "Bruch der Einheit" zwischen Volk und Militär warnen und offenbar den Glauben an die Ehrlichkeit der Militär-Junta verteidigen wollen. Auf der einen Seite ließen sich zwanzig junge Offiziere entgegen den Anweisungen von Oben auf dem Tahrir-Platz als Gegner Tantawis feiern. Auf der anderen Seite beschwor der frühere Chef der Internationalen Atomenergie-Agentur IAEA, Mohammed el-Baradei, der obgleich ohne politische Basis in Ägypten häufig in den Mainstream-Medien als "Oppositions-Führer" bezeichnet wurde, das "Vertrauensverhältnis" zwischen Volk und Militär. Auch die Muslim-Bruderschaft, eine der größten Oppositionsgruppen, die von Mubarak unterdrückt worden war, beschwor die "Einheit".

 

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Anmerkungen

Siehe auch:

      Groß-Demo in Ägypten
      Mißtrauen gegen General Tantawi wächst (19.02.11)

      Ägypten: Plan B tritt in Kraft
      Mubarak durch General Tantawi ersetzt (11.02.11)

      Millionen gegen Mubarak auf den Straßen
      Folgt das Militär einer "Strategie der Gummizelle"?
      (1.02.11)

      US-Regierung stützt Mubarak
      Militärdiktatur ist Plan B (30.01.11)

      Chancen für Demokratie
      in Tunesien? (15.01.11)

      Schein-Wahl in Ägypten
      Offenbarungseid für Barack Obama (2.12.10)

      Obama stärkt Diktatur
      Waffen-Deal für 60 Milliarden US-Dollar eingefädelt
      (14.09.10)

      Manipulation bei der Präsidentschaftswahl im Iran?
      (20.06.09)

      Barack Obama und das Nadelöhr
      ... anderes zu erwarten als von Bush? (6.10.08)

      Verfassungs-Referendum in Ägypten:
      Mehrheit für Demokratie
      Mubarak zu 82 Prozent für Mubarak (29.05.05)