28.08.2013

Internet-Schnüffelei
GCHQ bespitzelt ganz Europa

Big Brother is watching you
London (LiZ). Der britische Geheimdienst GCHQ schnüffelt offenbar in weitaus größerem Umfang als bisher bekannt in den europäischen Datennetzen. Betroffen sind nach jetzt veröffentlichten Geheim-Informationen 14 Glasfaser-Verbindungen und damit auch der eMail- und Internet-Verkehr, der über die deutsche Telekom abgewickelt wird.

Die aufgedeckten Informationen stammen anscheinend erneut von dem Whistleblower Edward Snowden. Daraus geht hervor, daß der GCHQ sich Zugriff auf 14 Übersee-Glasfaserkabel verschafft hat, über die nicht nur internationale Daten-Übermittlungen, sondern beispielsweise der eMail-Verkehr deutscher NutzerInnen untereinander abgewickelt wird, wenn ein eMail-Provider wie etwa google-Mail im Spiel ist. Viele NutzerInnen haben in den vergangenen Wochen wegen des Abhör-Skandals vom eMail-Dienst US-amerikanischer Gratis-Anbieter etwa zur deutschen Telekom gewechselt. Nun stellt sich heraus, daß sie auch bei diesem Unternehmen nicht vor Schnüffelei sicher sind.

Deutsche Partei-PolitikerInnen zeigen nahezu ausnahmslos kein Rückgrat: Statt sich dafür einzusetzen, daß der Schnüffelei ausländischer Geheimdienste ein Riegel vorgeschoben wird, raten sie den NutzerInnen, ihre Nachrichten zu verschlüsseln. Oder Bundeskanzlerin Angela Merkel stellt öffentlich die dummdreiste oder auch echt naive Frage: "Gilt auf deutschem Boden deutsches Recht?"

Technisch realisiert der GCHQ das Abschöpfen der Internet- und eMail-Kommunikation, indem er die Daten aus den Glasfaser-Kabeln abzweigt und Kopien speichert. Über drei der 14 angezapften Glasfaser-Kabel leitet die deutsche Telekom Daten - an zwei der Kabel ist der Konzern sogar selbst Miteigentümerin. Ob die Konzern-Leitung der Telekom über die Schnüffel-Praxis unterrichtet war, geht aus den Geheim-Informationen nicht hervor.

Die Telekom streitet eine Mitwisserschaft ab. Über die Schnüffel-Praxis britischer Geheimdienst habe sie keine Erkenntnisse, richte sich aber an jeweils geltende Landesgesetze. Sie gewähre ausländischen Diensten keinen Zugriff auf Daten sowie Telekommunikations- und Internetverkehre in Deutschland (Dieser Satz kann mit Betonung auf die letzten beiden Worte gelesen werden.). "Wir tun alles, was wir können, um unseren Kunden sichere Daten zu ermöglichen," sagte Thomas Kremer vom Telekom-Vorstand. Vorsichtig deutete er zugleich an, daß hierfür allerdings die Parteien-Politik zuständig ist: "Aber dieses Thema steht im Zusammenhang mit Spionage. Diese kann man wirksam nur durch Vereinbarungen zwischen Staaten bekämpfen."

Bislang ist bekannt, daß mindestens sechs Firmen mit dem GCHQ kooperieren. Alle diese Firmen sind auch in Deutschland tätig. Über ihre Netze läift ein großer Teil der inländischen Internet- und eMail-Kommunikation.

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Witz der Woche
      "Gilt auf deutschem Boden deutsches Recht?" (21.08.13)

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      Millionen PatientInnen und ÄrztInnen ausgespäht (18.08.13)

      Washington Post deckt auf:
      NSA hat doch US-Recht gebrochen (16.08.13)

      Snowden beibt vorerst in Rußland
      "Keine Auslieferung an USA" (1.08.13)

      "Stop watching us"
      Bundesweit Demos gegen Geheimdienst-Schnüffelei
      (27.07.13)

      Big Brother hört mit
      Hintertür per SIM-Karte (21.07.13)

      Microsoft half offenbar bei Schnüffelei
      und unterstützte NSA
      beim Umgehen von Verschlüsselungen (12.07.13)

      Snowden entwischt
      Whistleblower flieht nach Ecuador (23.06.13)

      Snowden: Britischer Geheimdienst GCHQ
      spitzelt noch extremer als NSA (17.06.13)

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      Big Brother wächst
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      "Anti-Terror-Datei"
      Urteil der Bundesverfassungsgerichts
      ebnet Weg zu neuer Gestapo (25.04.13)

      Big Brother liest mit
      Allein im Jahr 2011: 2,9 Millionen eMails und SMS (5.04.13)

      Witz der Woche
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      Schaar: Mit Staats-Trojaner
      wurden Grundrechte verletzt (16.02.12)

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      Vorratsdatenspeicherung völlig ineffektiv (27.01.12)

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      Bundesverfassungsgericht:
      Vorratsdatenspeicherung war verfassungswidrig
      (2.03.10)

      CCC: Handys abhören leicht möglich
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      Die Manipulierbarkeit von elektronischen Speichersystemen,
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