Chinesische Solarmodul-Exporte
EU knickt ein
Brüssel (LiZ). Im Interesse der großen europäischen Strom-Konzerne, deren Überleben durch die Energie-Wende auf der Kippe steht, ist die EU-Bürokratie gegenüber China eingeknickt. Chinesische Exporte von massiv subventionierten Solarmodulen in die EU haben zu einem ruinösen Preiskampf geführt. Seit über einem Jahr rollt eine Pleitewelle durch die Solar-Branche.
Die Brüsseler EU-Bürokratie hatte mit einer leeren Drohgeste versucht, das chinesische Regime zu beeindrucken - oder vielleicht auch nur die Öffentlichkeit in Europa: Strafzölle auf Importe von Niedrigpreis-Solarmodulen aus China. EU-Handelskommissar Karel De Gucht verkündete Strafzölle von 11,8 Prozent ab Juni. Hätte es bis zum 6. August keine Verständigung mit China gegeben, sollten Zölle von rund 48 Prozent auf chinesische Solar-Importe fällig werden. Zugleich stellte De Gucht Kompromissbereitschaft bei Verhandlungen mit China in Aussicht. Bereits zu diesem Zeitpunkt war leicht vorherzusagen, daß die EU gegenüber China einknickt (siehe unseren Artikel v. 5.07.13).
Eine politische Alternative wäre, daß in der EU die Solar-Industrie ebenso subventioniert würde wie in China. Ähnlich wie bei der Subventionierung der Atomenergie mit Hilfe von EURATOM, wäre dies ein gangbarer Weg, um das Überleben der Solar-Industrie zu sichern. Ohne massive Subventionen wäre beispielsweise auch die industrielle Landwirtschaft in Europa gegenüber der globalen Konkurrenz nicht überlebensfähig. Und die Atomenergie konnte in den 1970er-Jahren in Deutschland, Frankreich und anderen europäischen Staaten nur mit Hilfe gigantischer Subventionen aufgebaut werden - die Strom-Konzerne zeigten damals wegen der hohen Investitionssummen kein Interesse. Daß weder die deutsche Bundesregierung noch andere nationale Regierungen in der EU den Weg gehen, die Solar-Industrie mit Hilfe von Subventionen international konkurrenzfähig zu halten, zeigt, daß diese Regierungen ausnahmslos im Dienste der großen Strom-Konzerne stehen.
Bereits im Februar 2012 zeichnete sich klar die eingeschlagene Richtung ab, als die Minister Rösler und Röttgen massive Kürzungen im Bereich der Solarenergie verkündeten (Siehe unseren Artikel v. 23.02.12) In der Tagesschau kommentierte der ARD-Energieexperte Jürgen Döschner am 23. Februar 2012, ohne hierzu seherische Fähigkeiten bemühen zu müssen: "Der Ausbau der Solarenergie wird dramatisch einbrechen. Das nützt weder den Stromkunden, die durch diese Entscheidung kaum auf niedrigere Preise hoffen können. Es hilft auch nicht dem Staat, aus dessen Kassen die Solarförderung ohnehin nicht bezahlt wird, und schon gar nicht dem Klima und der Umwelt. Nein, die einzigen, die von dieser Entscheidung profitieren, sind RWE, E.on, Vattenfall und Co.. Denn deren Großkraftwerke - ob mit Atom, Kohle oder Gas betrieben, verloren mit jeder neuen Solaranlage an Wert, weil das Gesetz über Erneuerbare Energien unter anderem vorschreibt, daß Wind- und Solarstrom Vorrang vor konventionellem Strom haben. Der Wertverfall und damit der Machtverlust der Energieriesen soll aufgehalten werden."
Seit April 2012 rollt eine Pleitewelle durch die deutsche Solar-Branche. Angefangen mit Q-Cells mußten seitdem Sovello, Solar Millennium, Solarhybrid, Solon, Solarwatt und Centrotherm aufgeben. Allein im Jahr 2012 wurden Solar-Module aus China im Wert von 21 Milliarden Euro in die EU exportiert. Selbst die EU-Kommission sprach von 25.000 Arbeitsplätzen, die europaweit in der Solarbranche akut gefährdet seien. Auch das Vorzeige-Unternehmen Solarworld - einst Marktführer - ringt ums Überleben. Schott Solar, Siemens und Bosch stiegen aus dem Solar-Geschäfte aus, Phoenix stieß große Teile seines Engagements in diesem Geschäftsfeld ab, SMA sieht sich gezwungen, rund 500 von insgesamt über 5000 Arbeitsplätzen abzubauen. Viele Handwerks-Firmen, InstallateurInnen und ProjektiererInnen mußten aufgeben oder entließen MitarbeiterInnen. Einige zehntausend Arbeitsplätze in der deutschen Solarbranche kostete die von "Schwarz-Gelb" betriebene Sabotage an der Energie-Wende bereits in den vergangenen Monaten. Anfang Juli stand nun auch die Solarfirma Conergy vor der Pleite - sie wird vermutlich zerschlagen.
Monatelang hatte sich der Branchen-Verband der europäischen Solar-Industrie, EU Pro-Sun, in Brüssel über die chinesische Dumpingpreis-Konkurrenz beschwert und vor dem Verlust vieler Jobs gewarnt. Nach der wenig glaubwürdigen Drohung mit Strafzöllen einigte sich Brüssel mit dem chinesischen Regime auf einen Schein-Kompromiss: Es wird nun ein Mindestpreis für in die EU importierte Solarpaneele aus China festgelegt, der bei 56 Cent pro Watt liegt. Doch dies ist exakt das Preisniveau der derzeitigen chinesischen Importe in die EU. "Eine Einigung auf dem Level der heutigen Dumpingpreise verstößt gegen EU-Recht," erklärte hierzu EU-Pro-Sun-Präsident Milan Nitzschke. Hinzu kommt eine Mengenbegrenzung, die laut Insideraussagen in der Größenordnung von insgesamt sieben Gigawatt pro Jahr liegen soll. Bei einem Zusammenbruch des europäischen Marktes für Solarmodule kann dies dazu führen, daß die gesamte Rest-Nachfrage von den chinesischen Angeboten abgedeckt wird.
EU-Pro-Sun-Präsident Nitzschke wertet die getroffene Regelung als faulen Kompromiss: "Offensichtlich hat die Kommission ihren Auftrag nicht erfüllt." Ein fairer Handel werde so nicht möglich. Der europäischen Solarmarkt wird dieses Jahr auf um die zehn Gigawatt geschätzt. Sollte China sieben Gigawatt liefern können, würden die chinesischen Hersteller den Markt wie bisher dominieren. "Das ist quasi eine Absatzgarantie für China und ein Freibrief, weiter zu Dumpingpreisen zu verkaufen. Ein klarer Verstoß gegen das europäische Handelsrecht", kritisiert Nitzschke.
Die zudem vorgesehenen Strafzölle im Falle von Verstößen gegen den ausgehandelten "Kompromiss" dürfen getrost als reines Imponiergehabe verbucht werden, da nicht damit zu rechnen ist, daß die chinesischen Firmen gegen die in ihrem Sinne getroffene Regelung verstoßen werden. Die Strafzölle wurden für die Zeit ab 6. August auf 37 bis 68 Prozent festgesetzt. Die EU-Kommission wird die Regelungen noch formell beschließen. Dies ist nach in den kommenden zwei Wochen zu erwarten.
An der desaströsen Lage auf dem europäischen Solarmarkt wird sich also nichts ändern - dennoch verkündet EU-Handelskommissar Karel De Gucht wohlgemut, er sei zuversichtlich, "daß diese Preisverpflichtung den europäischen Solarpaneel-Markt stabilisieren und den Schaden beseitigen wird". Zudem sprach er von "nachhaltigen Preisen". Dem Verband EU Pro-Sun bleibt wohl nur noch der Weg vor den Europäischen Gerichtshof.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Pleitewelle rollt weiter
Solarfirma Conergy insolvent (5.07.13)
Parteien-Politik sabotiert Solarwärme
Deutschland im EU-Vergleich auf Platz 6 (27.06.13)
Sozial ist, Arbeitsplätze
zu vernichten? (28.03.13)
Rekord für Solarstrom
Acht Millionen Haushalte versorgt (1.01.13)
Strompreiserhöhungen wegen Energie-Wende?
Zur Zeit werden Lügen verbreitet (9.11.12)
Ist die Energie-Wende zu teuer?
Im Gegenteil: jährlich könnte
über drei Milliarden Euro eingespart werden (19.10.12)
Bundesregierung bremst
Energie-Effizienz bei Neubauten (14.09.12)
Erneuerbare Energien über 25 Prozent
Energie-Wende immer rigider gebremst (26.07.12)
Energie-Wende? Centrotherm insolvent
"Schwarz-Gelb" zerschlägt deutsche Solar-Branche
(12.07.12)
Photovoltaik liefert Rekordmenge
von über 4 Milliarden Kilowattstunden (8.06.12)
War Röttgen ein deutscher Umweltminister?
Die Rolle politischer Illusionisten (16.05.12)
Bundesrat stoppt vorerst Solar-Kahlschlag
(11.05.12)
Röttgen und Rösler erfolgreich:
Solarfirma Q-Cells ist pleite (3.04.12)
Rösler und Röttgen blockieren Energie-Wende
Solar-Ausstieg statt Atom-Ausstieg (23.02.12)
Massive Kürzung bei Photovoltaik
Energie-Wende erfordet realen Atom-Ausstieg (22.02.12)
Stimmungsmache gegen Erneuerbare
im Dienste der "Großen Vier" (13.01.12)