22.09.2011

Justiz-Mord in den USA
Troy Davis ist tot

Vorbild Rom? Jackson (LiZ). Der vor 20 Jahren wegen Mordes verurteilte Troy Davis wurde gestern abend gegen Mitternacht im US-Gefängnis in Jackson, Georgia, mit Hilfe willfähriger ÄrztInnen vergiftet. Der Justiz-Mord an dem höchst- wahrscheinlich unschuldigen US-Bürger konnte trotz des weltweiten Protestes Hunderttausender nicht verhindert werden. Damit zeigt sich der US-amerikanische Staat erneut auf demselben ethischen Niveau wie China oder der Iran.

Troy Davis war einer von über 3.000 Häftlingen, die in den Vereinigten Staaten in der "Todeszelle" sitzen. Verzweifelte Bemühungen der AnwältInnen Davis' konnten dessen Ermordung nicht mehr verhindern. Durch Eilanträge hatten sie die für 19 Uhr angesetzte "Hinrichtung" zunächst verzögert, doch der Oberste Gerichtshof lehnte einen weiteren Aufschub ab. Sowohl ein US-amerikanischer Begnadigungsausschuß als auch Präsident Barack Obama, der Troy Davis hätte das Leben retten können, verweigerten sich. "Ich bin geschockt und enttäuscht über das Versagen unserer Justiz auf allen Ebenen," bekundete Brian Kammer, der zum Anwaltsteam Troy Davis gehört.

Vor über 30 Jahren waren die USA zivilisierter als heute: 1966 sprachen sich nur 42 Prozent der US-AmerikanerInnen für die Todesstrafe aus. Am 29. Juni 1972 erklärte der Oberste Gerichtshof vierzig Todesstrafengesetze für nichtig und setzte die Todesstrafe landesweit aus. Doch bereits 1976 wurde die Todesstrafe unter US-Präsident Gerald Ford wieder eingeführt. Der als liberal gehandelte US-Präsident James ("Jimmy") Carter, der 1976 gewählt wurde, beließ es dabei. Die legalisierten Morde per Hinrichtung wurden ab 1977 fortgesetzt.

Troy Davis hatte in all den Jahren seit der Verurteilung im Jahr 1991 wiederholt seine Unschuld beteuert. 1989 hatte er sich selbst bei der Polizei gemeldet, weil er davon erfahren hatte, daß er verdächtigt wurde, einen Polizisten erschossen zu haben. Der Polizist Mark MacPhail war bei einem Handgemenge zu Tode gekommen, als er versuchte, einem Obdachlosen zu helfen. Lediglich aufgrund von Zeugenaussagen, die mit einer Ausnahme später widerrufen wurden, aber trotz fehlender Tatwaffe, wurde Davis zum Tode verurteilt. Etliche der Zeugen erklärten später, sie seien von der Poliei unter Druck gesetzt worden,Troy Davis im Prozeß zu belasten. Harry Cox, Direktor von Amnesty International USA, sagt, er habe in den 30 Jahren seiner Arbeit gegen die Todesstrafe noch nie so schwerwiegende Zweifel an der Schuld eines Verurteilten gesehen.

In den Medien vieler Länder war in den vergangenen Tagen breit und kritisch über den Fall Troy Davis berichtet worden. Der frühere US-Präsident James Carter, der Europarat, Friedensnobelpreisträger Bischof Desmond Tutu und Papst Joseph Ratzinger (Benedikt XVI.) hatten sich für Davis Begnadigung eingesetzt. Vergeblich waren auch die Demonstrationen vor dem Regierungssitz der Gouverneurs von Georgia in Atlanta. Gouverneur Nathan Deal hätte Troy Davis vor dem Tod bewahren können. In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag appellierten DemonstrantInnen vor dem Weißen Haus vergeblich an US-Präsident Obama. Doch dieser ist als Befürworter der "Todesstrafe" bekannt. Jay Carney, Sprecher des Weißen Hauses, erklärte vor der Presse, es sei "nicht angemessen für den Präsidenten der Vereinigten Staaten, sich in spezifische Fälle wie diesen einzuschalten, der der Rechtsprechung eines Bundesstaats unterliegt."

Troy Davis wäre am 9. Oktober 42 Jahre alt geworden.

 

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Anmerkungen

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