16.03.2010

Rente wird gekürzt
"Nullrunde" heißt Minus

Rentner sucht Flaschenpfand Berlin (LiZ).
Das Bundes-"Arbeits"-Ministerium teilte heute (Dienstag) in Berlin mit, daß es aufgrund der Daten des Statistischen Bundesamtes und der Deutschen Renten- versicherung in 2010 keine Rentenerhöhung geben werde. Von den Mainstream-Medien wird dies als "Nullrunde" bezeichnet, obwohl ein Aussetzen der Rentenanpassung für die Betroffenen netto infolge des Preisanstiegs ein Minus bedeutet. Rechnerisch müßten die Renten zum Stichtag 1. Juli "sogar gekürzt" werden, hieß es. Dies sei nur Dank der von "Schwarz-Rot" in der vergangenen Legislaturperiode gesetzlichen geschaffenen "Schutzklausel" vermieden worden. "Die angekündigte Renten-Nullrunde 2010 bedeutet eine reale Rentenkürzung", erklärte der Präsident des Sozialverbandes Volkssolidarität, Gunnar Winkler.

Ein großer Teil der rund 20 Millionen RentnerInnen in Deutschland lebt unterhalb der Armutsgrenze. Für diese wird die "Nullrunde" einen schmerzhaften Einschnitt bedeuten. In Berlin sind nach aktuellen Zahlen rund 630.000 Menschen älter als 65 Jahre, rund 565.000 von ihnen beziehen eine Rente oder Pension. Im Durchschnitt 754 Euro. Laut der Senatsverwaltung für Soziales leben in Berlin 32.000 Menschen über 65 Jahre von der Sozialhilfe. 2005 waren es noch 23.890 - ein Anstieg um mehr als ein Drittel. In Deutschland droht nach einer Berechnung des Deutschen Instituts für Altersvorsorge jedem dritten Bundesbürger in Zukunft Altersarmut. Schon heute haben viele RentnerInnen nicht mal mehr das Geld für die Krankenversicherung - in einer Lebensphase, in der der Körper zunehmend ärztliche Betreuung benötigt.

Den "Durchschnittsrentner" gibt es nicht mehr. Es hat immer weniger mit der Wirklichkeit zu tun, wenn das durchschnittliche Einkommen einer willkürlich zusammengestellten Bevölkerungsgruppe mit der Bezeichnung "Rentner" berechnet wird, da sich die Lebensrealität der darin zusammengefaßten Individuen himmelweit unterscheidet. Altersarmut ist beispielsweise für einen 72-jährigen ehemaligen Versicherungsmakler, der in Berlin lebt, ein Fremdwort. Seine Frau und er besitzen ein Haus im Westend, zwei Autos, und fahren mehrmals im Jahr in Urlaub. Er kann sich ein teures Hobby leisten, nimmt mit einem Boot regelmäßig an Regatten teil. Rund 70.000 Euro stehen ihm jährlich zur Verfügung - monatlich 850 Euro aus der gesetzlichen Rentenkasse und 1200 Euro Betriebsrente. Den Rest bildet seine private Altersvorsorge, die monatlich ausgezahlt wird. "Mir und meiner Frau geht es sehr gut damit. Wir können uns leisten, was wir brauchen", sagt er.

Der neue Rentenwert West beträgt laut der heutigen Mitteilung der Bundesregierung rechnerisch ab Juli 27,20 Euro, der Rentenwert Ost 24,13 Euro. Aus diesen Werten ergibt sich in Verbindung mit weiteren, individuellen Faktoren in einem undurchsichtigen, komplizierten Rechenverfahren der jeweilige Rentenanspruch. Grundlage für die Berechnung des Rentenwerts ist die Entwicklung der Bruttolöhne im Vorjahr. Diese sanken 2009 in Westdeutschland nach offiziellen Angaben um durchschnittlich 0,96 Prozent, während es im Osten einen leichten Anstieg um 0,61 Prozent gab. Daneben wirken sich auch ein zusätzlicher "Nachhaltigkeitsfaktor" und der "Riester-Faktor" negativ auf die Rentenhöhe aus, so daß rechnerisch die Renten eigentlich um 2,1 Prozent im Westen sowie um 0,54 Prozent im Osten hätten gekürzt werden müssen.

Die "Nullrunde" bei den Renten in 2010 galt aufgrund der schlechten Wirtschaftslage bereits seit einiger Zeit als sicher. Voraussichtlich müssen sich die RentnerInnen im kommenden Jahr auf eine weitere Rentenkürzung einstellen, weil sich weiterhin nur geringe Lohnzuwächse abzeichnen. Eine Ursache für das Absinken des Lohnniveaus in Westdeutschland im vergangenen Jahr ist die deutliche Zunahme der Kurzarbeit.

Der Präsident des Sozialverbandes Volkssolidarität, Gunnar Winkler, bezeichnete die angekündigte Renten-Nullrunde 2010 als "reale Rentenkürzung". Der Präsident des Sozialverbandes Deutschland (SoVD), Adolf Bauer, forderte vor diesem Hintergrund eine Abschaffung des "Nachhaltigkeitsfaktors" und des "Riester-Faktors", um künftige Kaufkraftverluste der RentnerInnen zu vermeiden. Ansonsten drohten in den kommenden Jahren weitere Kürzungen, erklärte Bauer.

 

LINKSZEITUNG

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      DIW-Studie zum Vermögen in Deutschland
      Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich weiter
      (19.01.10)

      Über 10 Prozent Rückgang beim BIP
      Weltwirtschaftskrise traf BRD 2009 schwer (14.01.10)