21.09.2013

Bei einem Absturz 1961 in North Carolina
entgingen die USA nur knapp einer
Nuklear-Katastrophe

Bomber mit Atomwaffen beim Betanken in der Luft
London (LiZ). Beim Absturz eines B-52-Bombers über der Stadt Goldsboro in North Carolina am 23. Januar 1961 gingen zwei H-Bomben zu Boden. Bei einer der Bomben von der 260-fachen Stärke der Hiroshima-Bombe versagten drei der vier Sicherheitsmechanismen. Dies wurde bislang geheimgehalten.

Nach einem Bericht der britischen Tageszeitung 'Guardian' konnte der US-amerikanische Journalist Eric Schlosser vor Gericht unter Berufung auf das Gesetz zur Informationsfreiheit erzwingen, daß die Obama-Administration bislang geheimgehaltene Dokumente freigab. Frühere US-Regierungen hatten zwar einen "Zwischenfall" im Jahr 1961 eingeräumt, doch stets abgestritten, daß Atombomben das Leben der eigenen StaatsbürgerInnen gefährden könnten. Erst der nun veröffentlichte Geheimbericht aus dem Jahr 1969 bestätigt, daß die USA acht Jahre zuvor nur knapp einer gigantischen Nuklear-Katastrophe entgangen waren.

Am 23. Januar 1961, drei Tage nach dem Amtsantritt von US-Präsident John F. Kennedy, war ein B-52-Langstreckenbomber über der Stadt Goldsboro in North Carolina auseinander­gebrochen. Bei einer der beiden H-Bomben, die daraufhin vom Himmel fielen, versagten drei der vier Sicherheitsmechanismen, die eine ungewollte thermonukleare Explosion verhindern sollten. Nur ein einziger Schalter verhinderte die Auslöschung einer viele Quadratkilometer großen Region der USA mit Millionen von Menschen. Der Ingenieur Parker Jones von den Sandia National Laboratories, einem Institut, das für die technische Sicherheit von Atomwaffen verantwortlich war, bewertete den Vorfall 1969 im Auftrag der US-Regierung. In seinen kommentierenden Anmerkungen schreibt Jones, daß "nur ein einfacher, dynamoelektrischer Schwachstromschalter zwischen den Vereinigten Staaten und einer riesigen Katastrophe" stand. Laut dem Geheim-Dokument hätte der radioaktiven Fallout sich über Washington, Baltimore, Philadelphia und sogar New York City ausbreiten können.

Der US-amerikanische Journalist Eric Schlosser wirft der US-Regierung im 'Guardian' vor, der Öffentlichkeit die Gefahren durch unzulängliche Sicherheitsvorkehrungen verschwiegen zu haben, um ihre Atompolitik nicht zu gefährden: "Uns wurde gesagt, es sei unmöglich, daß diese Waffen versehentlich detonieren - und doch haben wir hier eine, bei der es beinahe passiert wäre." Nach Schlossers Recherchen verzeichnete die US-Regierung zwischen 1950 und 1968 mindestens 700 "bedeutende" Unfälle und Zwischenfälle, in die rund 1250 Atomwaffen verwickelt waren. Schlosser berichtet hierüber in seinem neuen Buch 'Command and Control'.

Ohne auch nur im geringsten von objektivem Bericht auf subjektiven Kommentar überzuwechseln, läßt sich feststellen, die die US-Administration in einem nur als pathologisch zu bezeichnenden Irrsinn keinerlei Lehren aus der Beinahe-Katastrophe von 1961 zog. Wie bereits seit einigen Jahren unwiderlegbar dokumentiert, kam es am 17. Januar 1966 erneut zu einem Flugzeugabsturz mit vier Atombomben. Über Spanien kollidierten mehrere US-amerikanische Militärflugzeuge bei einem Auftank-Manöver in der Luft und stürzten ab. Dabei gingen vier H-Bomben vom Typ B28RI mit je einem 1,45 Megatonnen-Gefechtskopf (der 5000-fachen Sprengkraft der Hiroshima-Bombe) zu Boden. Zwei der Bomben zerschellten. Glücklicher Weise kam es zu keiner thermonuklearen Explosion. Plutonium aus den Bomben verteilte sich aber auf dem Gebiet der Gemeinde Palomares. In einer dreimonatigen Geheim-Aktion wurden rund 1.400 Tonnen radioaktiv verseuchter Erdboden abgetragen und mit dem Schiff USNS Boyce nach Aiken, South Carolina auf das Gelände des Savannah River Site, zur "Entsorgung" gebracht. Noch zwanzig Jahre später kämpften die BewohnerInnen der Gemeinde Palomares um die Veröffentlichung der Wahrheit. Am 7. November 1985 berichtete die Züricher 'Weltwoche' hierüber unter der Überschrift: "In Spanien wird ein Nuklear-Skandal vertuscht". Nachmessungen im Jahr 2004 offenbarten eine weiterhin hohe Radioaktivität im Erdreich einiger Flächen in der Umgebung von Palomares.

 

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Anmerkungen

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Siehe auch unseren Hintergrund-Artikel:

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