9.04.2010

Griechenland-Krise
Sargnagel für die EU

Weltwirtschaftskrise Athen (LiZ).
Für die "sozialistische" griech- ische Regierung wird es trotz aller Bekenntnisse zu einem verschärften Sozialabbau immer schwieriger, die gigantischen Schulden zu bedienen. Nachdem die Ratingagentur Fitch die Bonität Griechenlands gesenkt hat, wächst der Druck.

Vergessen wird in der heute gängigen Darstellung der Krise gerne, daß griechische Regierungen sämtlicher Couleur ohne reale demokratische Legitimation diesen Schuldenberg in den vergangenen Jahrzehnten nicht zuletzt wegen irrationaler Waffenkäufe in Deutschland aufgehäuft haben. Ein beträchtlicher Teil der "griechischen Krankheit" beruht auf dem Boom des Exportweltmeisters und der mit Hilfe des DGB erzwungenen "Lohnzurückhaltung" in Deutschland.

Die europäischen Führungsmächte sind nun in einem unlösbaren Dilemma: Retten sie die griechische Regierung - entgegen den vertraglichen Regelungen - mit einem milliardenschweren Bailout, werden sich die internationalen SpekulantInnen ("Finanzmärkte") auf das nächste Opfer stürzen, von dem sie sich noch höhere Profite versprechen können: Portugal. Als nächste in der Reihe warten bereits Spanien und Irland. Als Alternative wird der Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone und die Wiedereinführung der Drachme diskutiert. "Es wird letztlich darauf hinauslaufen, daß Griechenland aus der Eurozone austritt", sagte der Wirtschaftswissenschaftler Wilhelm Hankel. Und der Chef des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, erklärte in einem Interview mit 'focus' der IWF solle Griechenland dazu bewegen, auf freiwilliger Basis "temporär" aus der Eurozone auszuscheiden. Einen solchen Ausstieg auf Zeit halte er für die vernünftigste Lösung, denn nur so könnten unkontrollierbare soziale Verwerfungen vermieden werden. In Griechenland kursieren Gerüchte, wonach neue Drachme-Scheine bereits heimlich gedruckt würden.

Was von renommierten FinanzexpertInnen bereits ganz unverhohlen gefordert wird, kann allerdings eine Erosion der EU auslösen, die kaum mehr zu stoppen ist. Wolfgang Münchau, einstiger Chefredakteur der 'Financial Times Deutschland' und aktuell Kommentator der britischen Ausgabe, ist überzeugt, daß der Bankrott Griechenlands kommt, wenn auch noch nicht in diesem Jahr.

Nach Einschätzung der Ratingagentur Fitch wird die griechische Regierung unter Ministerpräsident Giorgios Papandreou entgegen ihren jetzigen Bekundungen, die Krise selbständig zu lösen, wohl auf externe Hilfen zurückgreifen, auf die sich die Euro-Zonen-Länder im März verständigt hatten. Die genauen Konditionen blieben jedoch bislang nebulös. Der Fitch-Analyst Chris Pryce hatte Griechenland dieser Tage direkt aufgefordert, die angebotene Hilfe sofort zu nutzen.

Nun wurde die Information gestreut, die europäischen Führungsmächte bereiteten mit Hochdruck die Ausarbeitung konkreter Konditionen für eine Finanzhilfe vor. Die EU-Staaten hätten sich mittlerweile auf die Zinshöhe für die Kredite an Griechenland geeinigt. Wie zwei mit den Beratungen der Euro-Staaten Vertraute gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters heute (Freitag) in Brüssel sagten, müßte Griechenland für Kredite mit Laufzeiten bis zu drei Jahren deutlich mehr als sechs Prozent Zinsen zahlen. Denn schließlich müsse der Preis nahe beim Marktzins liegen und dürfe keine Subvention enthalten. Insbesondere die deutsche Regierung soll auf die hohen Zinsen gedrungen haben. Bundeskanzlerin Angela Merkel habe dies zur Bedingung für Hilfszusagen gemacht.

Eine Brüsseler Kommissionssprecherin sagte hingegen, über den Zins werde erst entschieden, wenn Griechenland um Hilfe gebeten habe. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy sagte, die Finanzminister der Euro-Länder wollten die Details der Griechenland angebotenen Finanzhilfe erst Mitte April klären. Sie treffen sich am 16. April in Madrid.

George Soros griff diese Haltung scharf an. "Wenn Deutschland sich darauf einlassen würde, Geld zu günstigeren Konditionen zu geben, würden die Marktzinsen fallen"', sagte Soros. "Ich hoffe, daß Deutschland erkennen wird, daß das Gerede über Kredite zu Marktzinsen die falsche Medizin ist. Das würde Griechenland in den Abgrund treiben." Die Höhe der von den EU-Staaten verlangten Zinsen gelten als ein Grund, weshalb Investoren in den vergangenen Tagen trotz der Hilfszusagen an Athen auf eine Pleite des Landes spekuliert hatten. Wenn Griechenland für Hilfskredite ähnlich hohe Zinsen zahlen müsse wie derzeit am freien Markt, dann sei dem Land nicht geholfen, weil die "Sparbemühungen" so konterkariert würden, lautete die Begründung.

Der Abstand des Zinssatzes für griechischer Staatsanleihen zu dem von deutschen Bundesanleihen verringerte sich zwar, doch der Marktzins lag mit 7,1 Prozent noch immer fast 4 Prozent über dem der deutschen Staatspapiere. EZB-Ratsmitglied Ewald Nowotny erklärte im Österreichischen Rundfunk, das gegenwärtige Zinsniveau sei für Griechenland auf Dauer nicht zu bewältigen. Die griechische Schuldenagentur kündigte an, am Dienstag eine Auktion für Staatspapiere mit sechs und zwölf Monaten Laufzeit über insgesamt 1,2 Milliarden Euro auszuschreiben.

Nach einer Einigung über die Zinshöhe ist allerdings noch bei weitem nicht alles geklärt. Offen blieb bislang, unter welchen Umständen die Notbremse gezogen würde. Der Sprecher des deutschen Bundesfinanzministeriums bekräftigte hingegen, es gebe keinen Handlungsbedarf: "Es gibt keinen Grund daran zu zweifeln, daß Griechenland die Refinanzierung seiner Schulden gelingen wird." Wenn solches öffentlich bekundet werden muß, sind Zweifel erlaubt.

Derweil zeichnet sich immer deutlicher ab, daß die gesamte EU entgegen den allgemein verbreiteten Entwarnungen keineswegs die Weltwirtschaftskrise überwunden hat. Die Statistikbehörde Eurostat mußte in den vergangenen Tagen Zahlen präsentieren, wonach die Eurozone im vierten Quartal 2009 ein Nullwachstum zu verzeichnen hatte. In den USA und Japan konnte mit massiven Konjunkturprogrammen lediglich ein Strohfeuer erzeugt werden und laut offizieller Statistik betrug das Wachstum dort im vierten Quartal 1,4 und 0,9 Prozent. Im Vergleich zum vierten Quartal 2008 sank das saisonbreinigte BIP der Eurozone laut Eurostst um 2,2 Prozent. Insgesamt wurde im Jahr 2009 ein Rückgang des BIP in der Eurozone um 4,1 Prozent ermittelt.

 

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Anmerkungen

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