7.03.2013

OLG Düsseldorf kippt Netzkosten-Befreiung
Auswirkungen auf den Strompreis?

Erneuerbare Energien: Windkraft, Photovoltaik, Wasserkraft, Biogas,...
Düsseldorf (LiZ). Heute kippte das Oberlandesgericht Düsseldorf die Netzentgeltbefreiung als rechtlich nicht zulässig und hob die entsprechenden Ausführungsbestim­mungen der Bundesnetzagentur auf. Bereits die "rot-grüne" Bundes­regierung hatte es vor Jahren erlaubt, daß sich strom-intensive Unternehmen von Umlagen zur Finanzierung der Energie-Wende befreien lassen konnten.

In den vergangenen Jahren hatte die Zahl der Ausnahmeregelungen für Unternehmen immer mehr zugenommen und im Jahr 2011 hatte der Bundestag eine weitere Verordnung beschlossen, so daß sich strom-intensive Unternehmen unter gewissen Voraussetzungen auch von den Netzentgelten vollständig befreien lassen können. Außer Aluminiumhütten mit ihrem gigantischen Stromverbrauch waren etwa auch Golfplätze komplett von Netzentgelten befreit. Dies wurde erst in den vergangenen Monaten in der Diskussion über die steigenden Strompreise einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Zuvor war in den Mainstream-Medien massiv die Lüge verbreitet worden, die Energie-Wende sei für steigende Strompreise verantwortlich. Doch diese Argumentation ist ebenso falsch wie die Hoffnung trügerisch, daß mit diesem Gerichtsentscheid die Strompreise sinken könnten.

Tatsächlich haben die steigenden Strompreise nichts mit den Kosten für die Energie-Wende zu tun. Die steigenden Strompreise sind darauf zurückzuführen, daß die "Großen Vier" - die Strom-Konzerne RWE, E.on, Vattenfall und EnBW - nach wie vor den Strommarkt beherrschen. Dieses Oligopol trieb durch heimliche Preisabsprachen den Strompreis stärker nach oben als in den meisten anderen EU-Staaten.

Strompreise in Deutschland, 1991 bis 2012

In dieser Grafik ist deutlich erkennbar, daß der Preisanstieg seit Jahren unabhängig von der Höhe der EEG-Umlage ist (Siehe auch unseren Artikel v. 9.11.12). Einen Zusammenhang zwischen den Kosten der Energie-Wende und den Strompreisen zu konstruieren, ist eben so absurd wie die Behauptung, die Mafia würde die "Schutzgelder" bei Restaurants erhöhen, wenn der Fahndungsdruck der Polizei steigt und der Mafia somit höhere Kosten entstehen. Ebenso wenig wird die Tabaksteuer über jenes Maß erhöht, das dazu führen könnte, daß der Zigarettenabsatz massiv einbricht. So wurde etwa am 28. Mai 2003 bekannt, warum die Regierung beschloß, die monatelang diskutierte Erhöhung von umgerechnet einen Euro pro Zigaretten-Päckchen auf drei Stufen zu verteilen. Der damalige SPD-Fraktionsvorsitzender Müntefering erklärte dies in dummdreister Chuzpe so: Ein einzelner großer Schritt könne zu einem Einbruch beim Zigarettenkonsum führen. Werde die Erhöhung aber auf drei Einzelschritte verteilt, ändere das nicht sehr viel am Verbrauchsverhalten. Und würden die Strom-Preise in Deutschland über die seit Jahren erprobte Steigerungsrate hinaus erhöht, würde der Anteil der Haushalte, die bei einem Ökostrom-Anbieter unter Vertrag sind, längst die klägliche 7-Prozent-Marke überspringen.

Es ist daher eine sogenannte Milchmädchenrechnung, wenn der Ökostrom-Anbieter EWS aus Schönau im Schwarzwald in einer Medienmitteilung die Behauptung aufstellt, jene nun vom OLG Düsseldorf gekippte Netzkosten-Befreiung sei bisher den übrigen KundInnen als zusätzliche Umlage auf den Strompreis aufgeschlagen worden. Erfreulich ist das Urteil dennoch, da die Kostenbefreiung eine dreiste Bevorzugung meist besonders umweltbelastender Betriebe darstellte. Dies allein mag Grund genug sein für die Freude von Ursula Sladek vom Vorstand der EWS. Die EWS hatte zusammen mit anderen Netzbetreibern beim Oberlandesgericht Beschwerde eingelegt und dieses positive Urteil erwirkt. Die Düsseldorfer RichterInnen hatten übrigens bemerkt, daß mit solchen Netzentgelt-Befreiungen Unternehmen sogar noch dazu ermutigt wurden, besonders viel Strom zu verbrauchen. Nichts anderes ist der Sinn von Rabatten.

Ebenso erfreulich ist es, daß die EU-Kommission in Brüssel ankündigte, generell die Befreiung strom-intensiver Betriebe von Netzentgelten auf den Prüfstand zu stellen. Es bestehe der Verdacht von unerlaubten Beihilfen für die deutsche Industrie - und damit eine innereuropäische Wettbewerbsverzerrung. Doch hierbei geht es um ganz andere Probleme. Das Oligopol der "Großen Vier" in Deutschland hat nichts mit Wettbewerb zu tun - hier ist überhaupt kein Markt mehr vorhanden, auf dem der Preis durch Angebot und Nachfrage ermittelt werden könnte.

Fehlgeleitet sind jedoch sämtliche Hoffnungen, wonach es demnächst zu Strompreissenkungen oder gar Rückzahlungen an die Kleinkundschaft der "Großen Vier" kommen wird. Solange das Kartellamt hier nicht einschreitet, können die "Großen Vier" weiterhin die Strompreise nach Gutdünken festlegen. Bereits im Jahr 2007 war bekannt - auch der 'spiegel' berichtete hierüber - , daß das Kartellamt über die entsprechenden Beweise verfügt, um dem Treiben der "Großen Vier" einen Riegel vorschieben zu können. Daß die Macht der "Großen Vier" seit mehr als zwölf Jahren weder zu Zeiten einer "rot-grünen", noch einer "schwarz-roten", noch einer "schwarz-gelben" Bundesregierung angetastet wurde, zeigt, daß "Schwarz-Rot-Gelb-Grün" den Konzernen RWE, E.on, Vattenfall und EnBW zu Diensten ist. Und daher ist es auch nicht weiter verwunderlich, daß die Energie-Wende von "Schwarz-Rot-Gelb-Grün" weiterhin gebremst und sabotiert wird.

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Steinbrück für höhere Strompreise
      Der "rote" Lobbyist für ThyssenKrupp (8.01.13)

      Rekord beim Stromexport
      Eine Folge der Energie-Wende (8.01.13)

      Rekord für Solarstrom
      Acht Millionen Haushalte versorgt (1.01.13)

      Kehl bei Solarenergie vorbildlich
      Badische Stadt bundesweit in der Top-20 (26.12.12)

      Strompreiserhöhungen wegen Energie-Wende?
      Zur Zeit werden Lügen verbreitet (9.11.12)

      Elektro-Flugzeug der Zukunft
      ohne Emissionen? (23.10.12)

      Ist die Energie-Wende zu teuer?
      Im Gegenteil: jährlich könnte
      über drei Milliarden Euro eingespart werden (19.10.12)

      Pläne für Solarkraftwerk im südbadischen Hohberg
      kommen voran (18.10.12)

      Bundesregierung bremst
      Energie-Effizienz bei Neubauten (14.09.12)

      Erneuerbare Energien über 25 Prozent
      Energie-Wende immer rigider gebremst (26.07.12)

      Solar Impulse
      Das Photovoltaik-Flugzeug fliegt 6000 Kilometer
      (24.07.12)

      Energie-Wende? Centrotherm insolvent
      "Schwarz-Gelb" zerschlägt deutsche Solar-Branche
      (12.07.12)

      Photovoltaik liefert Rekordmenge
      von über 4 Milliarden Kilowattstunden (8.06.12)

      War Röttgen ein deutscher Umweltminister?
      Die Rolle politischer Illusionisten (16.05.12)

      Bundesrat stoppt vorerst Solar-Kahlschlag
      (11.05.12)

      Weltumrundung mit Solar-Katamaran
      in 585 Tagen (5.05.12)

      Röttgen und Rösler erfolgreich:
      Solarfirma Q-Cells ist pleite (3.04.12)

      BUND: "Energie-Wende erfordert
      Effizienz-Verbesserung" (15.03.12)

      Rösler und Röttgen blockieren Energie-Wende
      Solar-Ausstieg statt Atom-Ausstieg (23.02.12)

      Massive Kürzung bei Photovoltaik
      Energie-Wende erfordet realen Atom-Ausstieg (22.02.12)

      Stuttgart ergrünt
      EWS steigt bei Stuttgarter Stadtwerken ein (19.02.12)

      Erneuerbare Energien
      haben auch in Frankreich eine Chance (16.02.12)

      Trotz Kälte
      kein Strommangel in Deutschland (3.02.12)

      Energie-Wende in den USA?
      90 Prozent für erneuerbare Energie (15.01.12)

      Baden-Württemberg bleibt schwarz
      Atomenergie unangefochten, Erneuerbare gebremst
      (14.01.12)

      Stimmungsmache gegen Erneuerbare
      im Dienste der "Großen Vier" (13.01.12)

      Solon insolvent
      Rückschlag für erneuerbare Energien (15.12.11)

      Südwest Presse
      hängt sich an Stromimport-Lüge an (8.10.11)

      Strom-Importe wegen Merkels "Atom-Ausstieg"?
      Lügen! Lügen! Lügen! (12.09.11)

      Erneuerbare bei über 20 Prozent
      Energiewende dennoch gebremst (29.08.11)

      Merkels "Atom-Ausstieg"
      Täuschungsversuch wie vor 11 Jahren
      Wie Kretschmann 2002 einen
      "politischen Selbstmord" überlebte (30.05.11)

      86 Prozent der Deutschen:
      Erneuerbare Energien sind wichtig
      Wieviel kostet Öko-Strom wirklich? (16.10.10)

      Greenpeace deckt auf: Deutsche Kohle-Subvention
      mit jährlich 13 Milliarden Euro (4.06.10)

      Umweltverbände warnen
      vor Hype um Elektro-Auto (29.04.10)